Die Broilerbremse für die Landwirtschaft

Baurechtsänderung beschränkt neue Ställe

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
In Berlin haben sich Union und FDP mit SPD auf eine Novelle des Baugesetzes verständigt, die Massentierhaltungsvorhaben einhegen soll. Doch lässt die Regelung Lücken, die sich vor allem in Mecklenburg-Vorpommern auswirken könnten.

Bislang genießt die Landwirtschaft ein baurechtliches Privileg: Im Außenbereich von Kommunen sind agrarische Bauten in der Regel zu genehmigen. Doch ist diese traditionelle Regelung angesichts einer expandierenden gewerblichen Tierhaltung mit immer größer werdenden Stallungsprojekten in den letzten Jahren in die Kritik geraten. Bürgerinitiativen fordern daher seit Jahren, die gesetzliche Privilegierung von Agrarbauten aufzuheben - und nun ist ihnen Berlin einen Schritt entgegengekommen: Nach einem zähen Ringen - der Punkt musste mehrfach vertagt werden - hat sich am Mittwoch der Fachausschuss und am Donnerstagnachmittag bereits der Bundestag auf einen Kompromiss verständigt.

Maximal 600 Rinder

Sobald ein Projekt eine Größenordnung erreicht, bei der das Immissionsrecht eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) verlangt, soll nun das Landwirtschaftsprivileg fallen. Der LINKE-Fachpolitiker Alexander Süßmair schätzt, dass die Schranke bei etwa 40 000 Broilern, 600 Rindern oder 1500 Schweinen liegt. Für Projekte jenseits dieser Schranken ist dann ein ganz normales Baugenehmigungsverfahren notwendig, in dem unter anderem Mindestabstände, Luft- und Verkehrsbelastung eine Rolle spielen. Zudem gewinnen Kommunen damit bei Großstallungen ein Stück ihrer Hoheit zurück; sie können etwa Raumordnungspläne entwerfen, in denen bestimmte Zonen für solche Vorhaben ganz gesperrt werden können. Süßmair glaubt, dass diese Neuregelung vor allem »in Niedersachsen oder in Nordrhein-Westfalen das eine oder andere Vorhaben verhindern« könne. Die LINKE hat sich in der Abstimmung über das Gesetz aus nicht-agrarischen Gründen enthalten.

Betreffs der Tierhaltung enthalte die Reform einen Schritt in die richtige Richtung, sagt auch Süßmair. Allerdings warnt er vor Euphorie: Das Gesetz enthalte erhebliche Lücken. Zwar werde versucht, einem Umgehen der neuen Schranken durch die Stückelung in mehrere Anlagen einen Riegel vorzuschieben, indem betrieblich zusammengehörende auch im Zusammenhang bewertet würden. Ob dies aber auch dann greife, wenn ein agrarischer Gewerbebetrieb beispielsweise in mehrere rechtlich unabhängige Einheiten aufgespalten werde, müsse die Praxis erst noch zeigen.

Kein Bestand in der Praxis

Eingeschränkt wird die Wirksamkeit der Broilerbremse laut Süßmair auch dadurch, dass bei der UVP das Vorhaben grundsätzlich als Einzelnes betrachtet wird und nicht vor dem Hintergrund der lokal bereits vorhandenen Konzentrationen an Nutztierhaltung. Ein drittes Manko sei, dass sich die Regelung auf den kommunalen Außenbereich beschränkte, während es durchaus auch in Mischbereichen oder gewerblich ausgewiesenen Gebieten zu solchen Vorhaben kommen könne. »Ich fürchte, das Gesetz wird in der Praxis einfach nicht das bringen, was sich jetzt engagierte Bürgerinnen und Bürger davon versprechen mögen«, so Süßmairs.

Gerade im Osten sind in den vergangenen Jahren immer wieder Konflikte um Großstallungen aufgebrochen, die in Größenordnungen weit jenseits der 40 000 Broiler, 600 Rinder oder 1500 Schweine liegen. Doch ob die in Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt konkret umkämpften Anlagen auf Grund der neuen Regel hätten verhindert werden können, ist zumindest fraglich. Einer der Gründe dafür liegt darin, dass solche Anlagen oft an Orten geplant werden, die bereits einmal in einer Nutzung waren. Solche Fälle bleiben zumindest problematisch.

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