Anketten gegen Nazis?

Betonpyramiden als Protestform und juristische Konsequenzen

  • Lesedauer: 3 Min.
Henning Obens hat sich am 1. Mai in einer Betonpyramide ankettet und so die Demoroute der NPD in Berlin-Schöneweide blockiert. Er ist aktiv in der Interventionistischen Linken. Mit ihm sprach für "neues deutschland" nd-Redakteurin Ines Wallrodt.

nd: Bisher war Anketten in Betonpyramiden mit wendländischen Bauern und Castorprotesten verknüpft. Wie kamen Sie auf die Idee, diese Aktion am 1. Mai in Berlin gegen Nazis zu versuchen?
Obens: Bewegungen lernen voneinander, zudem wurden Pyramiden bereits in Bad Nenndorf gegen Naziaufmärsche eingesetzt. Viele sind wie ich nicht nur gegen Nazis aktiv, sondern gegen Kapitalismus im allgemeinen oder Atomkraft im speziellen. Das geschieht bei vielen Aktionsformen: So stammt die Fünf-Finger-Taktik, die in Heiligendamm bei den G8-Protesten erfolgreich war, aus dem Wendland, das Konzept von Massenblockaden wurde danach auf Antifademonstrationen übertragen. Solche Adaptionen geschehen aber nicht einfach so. Voraussetzung sind personelle Verquickungen, am besten in organisierten Strukturen. Politische Organisationen sind Archive von Bewegungswissen.

Dann ist es eher erstaunlich, dass Anketten nicht versucht wurde. Im Wendland braucht die Polizei oft mehr als 24 Stunden, um so ein Betonding zu knacken.
Soziale Bewegungen grenzen sich eben auch voneinander ab: durch kulturelle, habituelle Codes. Gerade Anti-Atom und Antifa waren immer weit auseinander. Antifas vermeiden häufig alles was „wehrlos“ wirken könnte: Sitzblockaden oder sich vor der Polizei anketten müssen erst erlernt werden. Heiligendamm hat Annäherungen in Gang gesetzt. Außerdem spielt für die Entscheidung, was übernommen wird, der Erfolg eine Rolle. Massenblockaden haben in Dresden und vielen anderen Städten zu Erfolgen geführt, Pyramiden wurden wie in unserem Fall bereits geräumt oder umgangen.

Wie sind Sie mit der Pyramide überhaupt auf die Naziroute gelangt?
Wir sind, nachdem der Tramverkehr gesperrt wurde, mit einem präparierten Transporter auf die Strecke gefahren und haben eine Lücke genutzt. Die Pyramide wurde mit einer Abladevorrichtung auf Rollen blitzschnell ausgeladen und wir haben uns in wenigen Sekunden in der Pyramide festgemacht und darin angekettet.

Die Polizei konnte Sie nach fünf Stunden aus dem Weg räumen. Der Naziaufmarsch wurde nicht verhindert. Ärgert Sie jetzt, dass Sie technisch gesehen ein schon bekanntes Pyramidenmodell benutzt haben?
Es war Pech, dass die niedersächsischen Experten für solche Pyramiden schon vor Ort war.

Die Polizei hatte also schon vor den linken Aktivisten den Gedanken, dass das eine mögliche Aktion gegen Nazis wäre.
Jedenfalls ist so eine Einheit offenbar häufig dabei.

Abseilen wäre noch eine Möglichkeit. Müssen Nazis jetzt immer mit solchen Aktionen rechnen?
Das kann ich mir vorstellen. Allerdings finde ich kollektive Massenaktionen besser – mit Ansage, das wollen wir tun, und wir werden das schaffen. Kleingruppenaktionen haben dieses Moment nicht, sich kollektiv Ziele zu setzen und Erfolge durch gemeinsames entschlossenes Handeln zu erleben. Der Linken fehlte lange das Vertrauen in die eigene Stärke. Kollektive Aktionen beflügeln und geben ihr als Ganzes Auftrieb.

Welche juristischen Konsequenzen erwarten Sie nun?
Bislang steht ein Nötigungsvorwurf im Raum, ob das durchkommt ist aber zweifelhaft. Einer von uns wurde über Nacht in Haft gehalten wegen vermeintlicher „versuchter gefährlicher Körperverletzung“, was natürlich Unsinn ist. Ähnliche Aktionen fielen in den Bereich von Ordnungswidrigkeiten. Mal schauen, ob Berlin da aus der Reihe tanzen will.

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