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Noch eine staatliche Stelle?

Heike Radvan von der Amadeu-Antonio-Stiftung über den Vorschlag, einen Extremismus-Beauftragten zu schaffen

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger will nach der Bundestagswahl im Herbst einen Beauftragten für Extremismus berufen. Finden Sie das gut?
Radvan: Wir haben ausreichend staatliche Stellen, die sich mit Rechtsextremismus befassen und darauf fokussieren, Zivilgesellschaft zu vernetzen. Vielmehr wäre es aber sinnvoll, staatliches Handeln selbst in den Blick zu nehmen und zu fragen, wie kommt eigentlich der Rassismus in das Handeln von Polizei, Justiz und Verfassungsschutz, wie er zum Beispiel bei den erfolglosen Versuchen, den NSU aufzudecken, deutlich wurde. Das wäre aus unserer Sicht Aufgabe eines solchen Beauftragten.

Leutheusser-Schnarrenberger begründet ihre Forderung damit, dass die bisherigen staatlichen Programme gegen Rechts zu unübersichtlich seien und gebündelt werden müssten.
Ich kenne das Papier aus dem Justizministerium nicht. Wenn ein solcher Posten tatsächlich zu einem Weniger statt einem Mehr an staatlichen Einrichtungen führt, dann könnte man darüber nachdenken. Meine Befürchtung ist aber, dass es nur eine weitere Stelle geben wird, die den Initiativen vor Ort, die ja die Arbeit machen, wenig bringt.

Dem Ministerium zufolge soll das Amt immerhin dafür sorgen, dass den Initiativen Ressourcen für kontinuierliche Arbeit zur Verfügung gestellt werden.
Wir arbeiten eng mit Frau Leutheusser-Schnarrenberger zusammen und haben sie bisher als sehr partnerschaftlich gegenüber der Zivilgesellschaft erlebt. Tatsächlich brauchen wir vor allem eine langfristige Förderung von Anti-Rechts-Initiativen. Bisher gibt es vor allem kurzfristige Projektgelder. Der Staat muss deutlich mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stellen.

Der Fokus des neuen Beauftragten soll auf Extremismusprävention liegen. Ist das ausreichend?
Prävention ist ein sehr breiter Begriff. Wir brauchen Demokratieförderung vor allem im ländlichen Raum. Bisher gibt es auch kaum pädagogische Konzepte für Straftäter in Gefängnissen.

Ein Beauftragter für Extremismus wäre dem Namen nach nicht nur für Rechts-, sondern auch Linksextremismus zuständig. Halten Sie das für sinnvoll?
Wir haben ein grundsätzliches Problem mit dem Extremismusbegriff und wehren uns gegen die Vermischung dieser beiden Bereiche. Außerdem gibt es in Deutschland kein vergleichbares Problem mit linker Gewalt - gemordet haben nur Neonazis. Trotzdem wird rechte Gewalt gern als Randphänomen dargestellt. Die Bekämpfung von rechtem Gedankengut muss in der Mitte der Gesellschaft ansetzen.

Beide Phänomene gemeinsam zu betrachten, darauf hat sich die Regierung zu Beginn dieser Legislaturperiode geeinigt. Leutheusser-Schnarrenberger will dies bei einer Wiederwahl von Schwarz-Gelb neu verhandeln.
Da sind wir ganz auf ihrer Seite. Ihre Kritik an der bisherigen Regierungspolitik zur Bekämpfung rechter Gewalt würde ich direkt unterschreiben.

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