Frust beim Putzen

Gebäudereiniger kämpfen um höhere Löhne und eine Angleichung der Gehälter in Ost und West

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Über eine halbe Million Gebäudereiniger in Ost und West erhoffen sich von den anstehenden Tarifverhandlungen mehr Geld.

Begleitet von einer Kundgebung der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) beginnt heute in Frankfurt am Main die vierte Verhandlungsrunde über die Einkommen für bundesweit 530 000 Beschäftigte des Gebäudereinigerhandwerks. Dass es zu einer Einigung kommt, ist unwahrscheinlich, weil die Positionen weit auseinander liegen. So fordert die IG BAU eine zweistufige Lohnsteigerung. Für die West-Bundesländer soll der unterste Stundenlohn zunächst um 70 und dann um weitere 65 Cent steigen. Gleichzeitig soll das Lohnniveau im Osten erst auf 88 und dann auf 92 Prozent des Westniveaus angehoben werden. Die Laufzeit soll ab 1. November 2013 zwölf Monate betragen. Die Arbeitgeber bieten zwei Schritte von je 20 Cent an.

»Die Beschäftigten haben einen Anteil am Wachstum und den guten Ergebnissen der Branche verdient«, argumentiert die IG BAU. Im Jahre 23 der deutschen Einheit sei »nicht einzusehen, dass die Ostlöhne immer noch hinterher hinken«, sagte ein Gewerkschaftssprecher am Dienstag auf »nd«-Anfrage: »Unsere Reinigungskräfte arbeiten im Osten genau so schnell und gründlich.«

»Wir rüsten uns für einen Arbeitskampf«, bestätigte der hessische IG-BAU-Sekretär Veit Wilhelmy gegenüber »nd«. Zur Kundgebung erwartet die Gewerkschaft über 500 Mitglieder, darunter auch eine starke Delegation aus Sachsen-Anhalt, wo die Universitätsklinik in Halle (Saale) eine Hochburg der IG BAU ist. Unter dem Motto »Sauberkeit hat ihren Preis« hatten Gewerkschafter dort kürzlich Informationsblätter an Patienten und Besucher verteilt. Dahinter steckt auch die Sorge, dass die zunehmende Leistungshetze in der Gebäudereinigung speziell in Krankenhäusern hygienische Probleme heraufbeschwören und die Gesundheit von Patienten gefährden könnte. »Viele putzen mit Frust und geballter Faust in der Tasche«, so die Gewerkschafterin Kerstin Fischer aus Halle: »Wir wollen auch beim Putzen keine Zwei-Klassen-Gesellschaft mehr.«

Öffentlichkeitswirksame Aktionen fanden dieser Tage auch anderswo statt. In Frankfurt verteilten Gewerkschafter an einer U-Bahn-Station Flugblätter mit der Überschrift: »Demnächst bleibt der Dreck auch in den Bahnen liegen.« Die Aktion habe »großen Zuspruch gefunden«, heißt es in einem Facebook-Auftritt der IG BAU. »Work Hard - Play Hard« lautet der Titel eines Films der Regisseurin Carmen Losmann. Darin stellen Reinigungskräfte die ausgeklügelten Methoden dar, mit denen im Arbeitsalltag ihre Leistungsbereitschaft »optimiert« werden soll.

Das Gebäudereinigerhandwerk profitierte in den letzten beiden Jahrzehnten von Privatisierungen und Ausgliederungen. Durch den Konzentrationsprozess entstanden tonangebende Konzerne wie Piepenbrock, Wisag, ISS und Dussmann mit jeweils fünfstelliger Belegschaftsstärke. Zu den Emporkömmlingen der Branche und Scharfmachern im Verband gehören aber auch Unternehmer wie Manfred Schmidt, Obermeister der Landesinnung des hessischen Gebäudereinigerhandwerks. Er ist ehrenamtlich Bezirksvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Selbstständigen (AGS) in der SPD Hessen-Süd. Seine Belegschaft ist täglich in Behörden, Altenheimen, Schulen und Betrieben im Einsatz.

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