Eine junge Sklavin für 300 Euro

In der Europäischen Union nimmt die moderne Sklaverei zu - in Rumänien kämpft Iana Matei dagegen

  • Denis Grigorescu, Pitesti
  • Lesedauer: 3 Min.

Von 2008 bis 2010 nahm die Zahl aufgedeckter Fälle von Menschenhandel in der Europäischen Union laut EU-Kommissarin Cecilia Malmström um 18 Prozent zu. Viele der 23 632 Opfer kommen aus Osteuropa, insbesondere aus Rumänien. Iana Matei gehört zu den wenigen Menschen, die etwas unternehmen, um ihnen zu helfen.

Iana hat in der Nähe der südrumänischen Industriestadt Pitesti ein Heim für junge Mädchen eingerichtet, die sie aus den Klauen der Menschenhändler befreien konnte. Sie selbst war einst nach Australien geflohen und hatte in Perth Psychologie studiert. In ihre Heimat zurückgekehrt, gründete sie 1998 »Reaching out«, das Heim für Mädchen, die »gehandelt« wurden. »Ich habe das Heim aufgebaut, weil es keine Lösungen und keine Programme für jene gab, die nicht so glücklich waren wie wir«, sagt sie. »Die Kosten lagen im ersten Jahr bei 12 000 Dollar. Hilfe bekam ich von ausländischen Organisationen und Freunden, die privates Geld dazu gaben.« In den vergangenen Jahren habe sie 470 Mädchen helfen können, die meisten Rumäninnen, »die Opfer eines der abscheulichsten Verbrechen wurden, das die Menschheit je gesehen hat: Menschenhandel.«

Den Mädchen werde psychologische, medizinische und juristische Hilfe zuteil. »Wir machen sie zu unseren Familienangehörigen«, sagt Iana, der vier Sozialarbeiter und ein Psychologe zur Seite stehen. Viele der Mädchen hätten danach einen Beruf gefunden oder auch studiert, berichtet die 52-Jährige. Sie selbst hat zwei Zwillingsmädchen adoptiert, die von ihrer Mutter - auch sie ein Opfer sexueller Ausbeutung - verlassen wurden.

Aber wie kommen die Opfer der Menschenhändler zu ihr? »Ich kidnappe die Mädchen bei ihren Kidnappern«, gesteht Iana Matei lächelnd. Was sie aufregt, ist die Praxis der Justiz: In Rumänien gebe es für Menschenhandel höchstens 12 Jahre Gefängnis, in Italien beispielsweise seien es 20. Aber die bisher höchste ausgesprochene Strafe seien sieben Jahre gewesen. »2004 bekam ein Mädchenhändler, der 250 Mädchen verkauft hatte, nur ein Jahr und drei Monate.« Mancher führe sein Geschäft selbst aus dem Gefängnis weiter. Und da ihr Vermögen nicht beschlagnahmt wird, nähmen sie nach der Entlassung den Menschenhandel wieder auf.

»Man kann Mädchen in jeder Hauptstadt der Welt kaufen, Minderjährige aber nur in Osteuropa und in Asien«, stellt Iana fest. Die Mehrzahl sei zwischen 15 und 17 Jahre alt. »Die Preisspanne beginnt bei 300 Euro, geht aber bis zu 2000 Euro.« Sie schildert einen der schlimmsten Fälle: »Das Mädchen war 13 Jahre alt. Sie wurde in die Türkei verkauft, dann nach Spanien. Sie hatte drei Selbstmordversuche unternommen und brauchte viel Nachsicht. Die haben wir ihr gegeben. Heute studiert sie, möchte Sozialhelferin werden und bei uns arbeiten.« Zwölf Opfer werden bei »Reaching out« gleichzeitig betreut. »Man müsste die Menschenhändler alle einsperren und den Schlüssel wegwerfen«, schließt Iana Matei.

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