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Die Spendenmillionäre

Sachsen-Anhalts LINKE-Abgeordnete füllen Solidarfonds

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Weil sie von einer Diätenanhebung nicht profitieren wollte, gründete die PDS-Fraktion in Sachsen-Anhalt 1995 einen Spendenfonds. Bis jetzt wurden in ihn eine Million Euro gezahlt.

Sie wollten das Geld nicht - und mussten es doch nehmen: Im Jahr 1995 beschloss die Mehrheit des Landtages von Sachsen-Anhalt, die Bezüge der Abgeordneten anzuheben. Die damalige PDS-Fraktion hielt das politisch für falsch, votierte dagegen, konnte sich aber nicht durchsetzen. Die Genossen entschieden sich daraufhin, das Geld wenigstens nicht für sich, sondern für gute Zwecke zu verwenden, und gründeten einen Spendenfonds. 18 Jahre später floss in diesen jetzt der einmillionste Euro.

Die erkleckliche Summe kam zustande, weil Monat für Monat jeder Abgeordnete der PDS und der LINKEN in den Fonds einzahlt. Darüber hinaus unterstützten auch zwei SPD-Abgeordnete zeitweilig das Projekt, darunter der heutige Sozialminister Norbert Bischoff. Gezahlt wurden von jedem Abgeordneten zunächst 500 Mark; inzwischen liegt der Betrag bei 300 Euro, sagt Eva von Angern. Sie leitet eine »Verteilungskommission«, die alle Anträge auf Unterstützung entgegennimmt und über die Verwendung des Geldes entscheidet.

Nutznießer des Fonds sind vor allem Kinder- und Jugendprojekte, an die rund 40 Prozent der bisher ausgezahlten Mittel flossen. Unterstützt wurden Ferienfreizeiten und Klassenfahrten, aber auch Jugendweihen. Oft lasse sich an den Anträgen ablesen, in welchem Bereich Land oder Kommunen zuvor öffentliche Zuschüsse gestrichen hätten, sagt von Angern. Ein weiteres Viertel der Spenden kam Behinderten- und Versehrtensportlern zugute. Und rund 20 Prozent gingen an Projekte, die sich für Demokratie und gegen Rechtsextremismus engagieren.

Beantragt wird die Förderung meist von Vereinen und Institutionen. Politische Scheuklappen werden bei der Verteilung nicht aufgesetzt; unterstützt worden seien auch Projekte von AWO, Caritas oder Diakonie, sagt von Angern. Ein Antrag habe die Unterschrift des CDU-Politikers und Staatskanzleichefs Rainer Robra getragen - in dessen Funktion als Vorsitzender des Vereins Straffälligen- und Bewährungshilfe. Daneben wenden sich auch Einzelpersonen an den Fonds: ein Spitzensportler etwa, der nach einem Unfall eine Operation benötigte, diese aber von der Krankenkasse nicht bezahlt bekam, oder eine Mutter, die ihre Tochter auf eine Ferienfreizeit schicken wollte, aber als Arbeitslose dafür kein Geld hatte. Sie erhielt einen Zuschuss - der freilich an den Trägerverein überwiesen werden musste, damit das Amt ihn nicht mit den Sozialleistungen verrechnet.

Generell ist die Chance, beim Spendenfonds der Genossen Hilfe zu bekommen, recht hoch - was die Antragsteller ebenso freut wie der Umstand, dass keine komplizierten Formulare auszufüllen sind. Gefordert werden lediglich ein formloser Antrag und der Nachweis dafür, dass die Bedürftigkeit »ohne vorsätzliches oder fahrlässiges Eigenverschulden« entstanden ist, wie es in der Satzung heißt.

Umfangreicher Werbung bedurfte es daher bis jetzt nicht, um das Geld an die Empfänger zu bringen, sagt von Angern: »Wenn unsere Abgeordneten auf einen Notfall stoßen, weisen sie auf den Topf hin.« Nachdem die Millionengrenze überschritten ist, gönnt sich der Fonds auch selbst etwas Gutes: ein Faltblatt, das über das Anliegen informiert und beim Sachsen-Anhalt-Tag Ende Juni in Gommern erstmals verteilt wird.

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