Lettland setzt sich ab

Riga geht es um mehr als die Gemeinschaftswährung im Jahre 2014

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Lettland erwartet den Euro 2014. Estland hat ihn schon, Litauen verpasste ihn bislang knapp. Für das Baltikum geht es aber um mehr als nur die Gemeinschaftswährung.

Freudig quittierte Olli Rehn, Vizepräsident der EU-Kommission und zuständig für Wirtschaft, Währung und den Euro, über einen Vertrauensbeweis in die gemeinsame Währung. Den verdankt die Europäische Union ihrem mit zwei Millionen Einwohnern doch recht kleinen Mitglied Lettland. Der Staat an der Ostsee offenbare mit seinem Wunsch nach Eintritt in die Eurozone den Irrtum jener, die deren Zerfall vorausgesagt hätten, triumphierte der Kommissar.

Der zur Wochenmitte vorgelegte »Konvergenzbericht« der Kommission, der die Aufnahme in die Eurozone empfiehlt, enthält eine ausdrücklich »positive Bewertung« der Wirtschaftsleistung Lettlands anhand der festen Konvergenzkriterien. In den zwölf Monaten bis April 2013 lag die durchschnittliche Inflationsrate Lettlands mit 1,3 Prozent deutlich unter dem Referenzwert von 2,7 Prozent. Die Defizitquote fiel 2012 auf 1,2 Prozent und soll bei diesem Wert bleiben, womit das Defizitverfahren gegen Lettland eingestellt werden könne. Der lettische Lats sei in den vergangenen zwei Jahren« nicht um mehr als ±1 Prozent vom Leitkurs abgewichen und »keinen Spannungen ausgesetzt« gewesen.

Die Saeima, das lettische Parlament, hatte Ende Januar 2013 dem Gesetz zur Euro-Einführung zugestimmt, das viele Einzelheiten der Umsetzung regelt. Das Abstimmungsergebnis von 52 gegen 40 Stimmen bei zwei Enthaltungen ließ allerdings nicht auf ungeteilte Begeisterung schließen. Das demoskopische Institut TNS Latvia hatte zuvor bei rund 1000 Bürgern zwischen 15 und 74 Jahren nur 35 Prozent Zustimmung für den Regierungskurs auf den Euro ermittelt. Von den Befürwortern wünschen allerdings 25 Prozent eine spätere Einführung. Als entschiedene Gegner offenbarten sich 37 Prozent.

Die Euro-Freunde freuen sich auf ein problemloses Reisegeld und setzen auf Investitionen und damit auf wirtschaftliche Entwicklung eines der neben Bulgarien und Rumänien ärmsten Länder Europas. Skeptiker hingegen trauen ebenso wenig der Stabilität des Euro wie der Entwicklung der lettischen Produktivität und fürchten Preiserhöhungen. Sie würden den Lats so gern behalten wie einst die Deutschen die D-Mark.

Das ist nicht unbegründet. Selbst die Europäische Zentralbank sorgt sich um Lettland. Da Preisniveau und Pro-Kopf-Einkommen niedriger als im Euro-Raum seien, müsse mittelfristig mit größeren Preissteigerungen gerechnet werden als im Währungsraum insgesamt, analysierten die Währungshüter. Eine wegen steigender Rohstoffpreise und Löhne anziehende Inflation könne »auch die Wettbewerbsfähigkeit der lettischen Unternehmen gefährden«.

Doch Lettland handelt nicht nur mit dem Streben in die Eurozone gegen den Trend. Das Land an der Ostsee folgt ebenso nicht allein wirtschaftlicher, sondern auch einer politischen Logik. So ist Russland mit 18 Prozent weiterhin der größte Absatzmarkt, doch bleibt es gerade mit Blick auf die gemeinsame Geschichte in der Sowjetunion ein unheimlicher Nachbar.

Das seit 1991 unabhängige Lettland ist alles andere als zufällig seit Ende März 2004 Mitglied der NATO und trat am 1. Mai 2004 der Europäischen Union bei. Der Euro ist für Lettland wie für Estland und Litauen mehr als eine Währung - er lässt das Baltikum nach Westen rücken und vergrößert die Distanz zu Russland.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal