Behinderte müssen am Berufsleben teilhaben dürfen
Kündigungsschutz für chronisch Kranke?
Eine heilbare oder unheilbare Krankheit, die physische, geistige oder psychische Einschränkungen mit sich bringe, könne einer Behinderung gleichzustellen sein, befanden die Richter des EuGH. Kein Arbeitnehmer darf nach EU-Recht wegen einer Behinderung benachteiligt werden.
Die EU-Richter waren von einem dänischen Gericht angerufen worden. Sie sollten darüber entscheiden, ob die in Dänemark auf einen Monat »verkürzte Kündigungsfrist» legal sei. Wer dort innerhalb von zwölf Monaten mehr als 120 Arbeitstage gefehlt hat, kann innerhalb eines Monats gekündigt werden.
Der EuGH befand, eine Behinderung bedeute nicht den vollständigen Ausschluss vom Berufsleben und sei auch nicht mit besonderen Hilfsmitteln verbunden. Das nationale Gericht müsse entscheiden, ob eine Behinderung vorliege. Eine »geeignete und angemessene Vorkehrungsmaßnahme» vor einer Kündigung könne eine Arbeitszeitverkürzung sein. Im Einzelfall müsse entschieden werden, ob dies dem Arbeitgeber zumutbar sei. Die verkürzte Kündigungsfrist könne Behinderte benachteiligen, weil diese besondere Gefahr liefen, zu erkranken. Ob es sich tatsächlich um eine Benachteiligung handele, müsse das Gericht in Dänemark prüfen.
Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, sieht in dem Urteil einen Fingerzeig für den deutschen Gesetzgeber. Erstmals sei höchstrichterlich klargestellt worden, dass auch chronische Krankheiten eine Behinderung sein können und insoweit vom Diskriminierungsschutz erfasst sein sollten. Bislang sei das nicht der Fall, chronische Krankheiten würden im deutschen AGG nicht ausdrücklich genannt. England dagegen zähle in seinem Antidiskriminierungsgesetz ausdrücklich HIV, Multiple Sklerose und Krebs auf.
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