Der Zynismus des Nordens
Martin Ling über die Situation von Flüchtlingen. Der 20. Juni ist Weltflüchtlingstag
Es sprengt die Dimensionen des Vorstellbaren: »Ein neuer Flüchtling alle 4,1 Sekunden« musste sich 2012 laut den Statistikern des Flüchtlingshilfswerkes der Vereinten Nationen (UNHCR) auf den Weg machen. Das macht niemand ohne Not und Not erfordert Solidarität. Die kommt weit weniger aus dem reichen Norden als aus dem armen Süden: 87 Prozent der über 45 Millionen Flüchtlinge weltweit leben in Entwicklungsländern. Die Solidarität dort ist selbst aus der Not geboren: Menschen aus Bürgerkriegsländern suchen ihr Heil in den nahe liegenden Nachbarländern.
Im Hauptaufnahmeland Pakistan sind es zudem familiäre und ethnische Bande nach Afghanistan, die die Gastfreundschaft bestärken. Doch was für Afghanistan gilt, gilt auch für Syrien oder andere Bürgerkriegsländer, aus dem das Gros der Flüchtenden stammt: Der Norden ist immer dabei, ob direkt oder als Waffenlieferant an seine Schützlinge. Allein ihrer Verantwortung für die Flüchtlinge kommen die reichen Staaten nicht nach. Statt dem Süden faire Handelschancen und Perspektiven einzuräumen, werden ob in den USA oder in der EU die Kontrollen an den Außengrenzen von Jahr zu Jahr härter. Eine Erfolgsmeldung in der Flüchtlingspolitik aus EU-Sicht ist die Halbierung der unerlaubten Grenzübertritte 2012. Es wird weit mehr in Grenzzäune oder in den Ausbau der mobilen Flüchtlingsabwehr investiert als in Programme zur Bekämpfung von Fluchtursachen. Der Norden behält seinen zynischen Kurs bei.
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