Die Macht der Domherren

Mainz wartet gespannt darauf, ob die Kirche im Streit um den Bau einer Riesen-Mall hart bleibt

  • Robert Luchs, Mainz
  • Lesedauer: 4 Min.
In der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz soll 2015 ein neues Millionenprojekt entstehen: Ein Investor plant ein riesiges Einkaufscenter in der Innenstadt. Das Projekt stößt auf viel Ablehnung.

Hängt es letztlich vom Mainzer Bistum ab, ob in der Stadt ein neues Einkaufszentrum von gewaltigen Ausmaßen errichtet wird? Obwohl sich - trotz anhaltender Kritik - die Kommune und der Hamburger Investor ECE auf Eckpunkte für ein neues Einkaufszentrum in der Innenstadt geeinigt haben, bleibt die katholische Kirche bei ihrer ablehnenden Haltung gegen einen »Konsumtempel«. Doch auch die Bürgerinitiative Ludwigsstraße (BI), die Mainzer Architektenkammer und der Einzelhandel haben erhebliche Vorbehalte gegen das aufwendige Projekt.

Für die Umsetzung seiner Pläne müsste der Investor über ein bestehendes Gebäude verfügen können, das sich im Besitz der Kirche befindet: das Haus Bischofsplatz 1 mit einem Laden und mehreren Wohnungen. Generalvikar Dietmar Giebelmann, Koordinator sämtlicher Verwaltungsgeschäfte im Bistum, hat mehrfach betont, das Bistum würde dieses Gebäude nur für ein Projekt der städtebaulichen Neuordnung verkaufen, wenn über die Planungen ein breiter »Konsens« in der Stadt bestünde.

Wie dieser Konsens aussehen soll, wird unterschiedlich ausgelegt: Würde das Ergebnis einer breiten Bürgerbefragung ausreichen - oder ein Beschluss des Stadtrats? Schon jetzt ist abzusehen, dass ein solcher Konsens angesichts der bestehenden Widerstände - wenn überhaupt - nur schwer zu erreichen sein würde. Das Bistum hatte eine weitere Hürde mit seiner Forderung aufgebaut, dass im geplanten Viertel gleichwertiger und erschwinglicher Wohnraum entstehen müsse. Dass dieser jedoch ausgerechnet in einem so genannten »Filetstück« gebaut würde, ist höchst unwahrscheinlich. Die Kirche, die sich derzeit in Schweigen hüllt, soll nun auf Drängen der Bürgerinitiative Farbe bekennen: Hält sie an ihren Forderungen fest oder lässt sie sich mit dem Argument weichklopfen, sie stehe einem für die Landeshauptstadt wichtigen städtebaulichen Vorhaben im Weg?

Das Bistum hat im Zusammenhang mit dem ECE-Projekt noch andere Sorgen: die Grundwasser-Problematik für den Dom und die Verkehrsanbindung für das Bischöfliche Ordinariat. Auch der Mainzer Dombauverein befürchtet Schäden, wenn der Investor bauen sollte. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der Dom Risse bekomme und andere Gebäude in der Umgebung gefährdet würden. In diesem Punkt sind sich die Konfessionen einig: Auch die Pfarrerin der benachbarten evangelischen Johanniskirche, Bettina Opitz-Chen, sorgt sich, die älteste Mainzer Kirche könne durch einen sinkenden Grundwasserspiegel und durch Erschütterungen während der Bauarbeiten gefährdet werden.

Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) sieht im bisherigen Verhandlungsergebnis eine Erfolgsgeschichte: »Es ist uns gelungen, nach harten, offenen und fairen Gesprächen in nahezu allen Punkten die Vorgaben der städtischen Leitlinien zu erfüllen«, so der OB. Er sprach aber zugleich von einem Zwischenergebnis bei der Planung des umstrittenen Vorhabens. Statt einer durchgehenden Shopping-Mall, die auch bei den Bürgern erhebliche Befürchtungen hervorgerufen hatte, sind nun fünf einzelne Gebäudekomplexe in unterschiedlicher Architektur geplant. Insgesamt geht die Stadt von einer Investition in Höhe von rund 250 Millionen Euro aus. Angeblich sollen 700 neue Arbeitsplätze entstehen.

Vor allem aber im Einzelhandel wird befürchtet, dass die neue Mall ganz erheblich Kaufkraft aus anderen städtischen Bereichen abziehen könnte. Bedenken kommen auch vom Präsidenten der Architektenkammer, Gerold Reker: »Beim vorgestellten Verhandlungsergebnis sind die allerwichtigsten Forderungen bisher gerade nicht umgesetzt.« Man sollte sich nicht darüber hinwegtäuschen lassen, dass das Verhandlungsergebnis »letztlich eine aus zwei Blöcken bestehende Mall vorsieht und eben keine fünf Einzelgebäude«. Auch entstehe nach diesen Plänen im Inneren der Mall kein öffentlicher Raum, das Ergebnis sei ein mehrere Straßen zusammenfassender Gebäudeblock.

Die Bürgerinitiative Ludwigsstraße, die das Vorhaben von Anfang an kritisch begleitet, sieht sich unterdessen in ihrer Haltung bestätigt. So gelange die Mainzer Architektenkammer zu der Einschätzung, dass es sich bei den Planungen um eine x-beliebige Mall handelt - »also das Gegenteil dessen, was Bürgerbeteiligung und der Beschluss des Stadtrats gefordert haben«, betont BI-Sprecher Hartwig Daniels.

Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte (FDP) kann die Kritik der Bürgerinitiative nicht nachvollziehen. Es würde, so Sitte, dem wichtigen Projekt guttun, »wenn die BI wieder zu einer differenzierteren Haltung zurückkehren und sich inhaltlich einbringen würde, anstatt Fundamentalopposition zu betreiben«. Mit ihrer Verweigerung stelle sich die Bürgerinitiative selbst ins Abseits.

OB Ebeling schlug leisere Töne an und verwies auf den »bewährten und konstruktiven Dialog« mit der BI, die über 600 Mitglieder zählt. Dezernent Sitte räumte allerdings ein, dass die Grundstücksfrage noch keineswegs geklärt sei. Auch der Besitzer eines Pavillons, der in der Planungen eine wichtige Rolle spielt, will bisher nicht verkaufen. Die Stadt versucht, ihn mit dem Angebot umzustimmen, sein Gebäude gegen das bekannte »Haus des Deutschen Weines« zu tauschen.

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