Warum die Ungleichbehandlung verfassungswidrig ist

Bundesverfassungsgericht zum Ehegattensplittung eingetragener Lebenspartnerschaften

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Die Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften und Ehen beim Ehegattensplitting ist verfassungswidrig. Die entsprechenden Vorschriften des Einkommensteuergesetzes verstoßen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.

Zu dieser Entscheidung kam am 7. Mai 2013 das Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), das seinen Beschluss am 6. Juni 2013 veröffentlichte (Az. 2 BvR 909/06, Az. 2 BvR 1981/06 und Az. 2 BvR 288/07). Auf diesen Beschluss geht der Kieler Steuerberater Jörg Passau vom Deutschen Unternehmenssteuer-Verband (DUV) näher ein. Die Entscheidung ist mit 6:2 Stimmen ergangen. Zwei Richter haben ein gemeinsames Sondervotum abgegeben.

Als Folge aus dem aktuellen Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich: Die Rechtslage muss rückwirkend ab der Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes zum 1. August 2001 geändert werden.

Die Bundesregierung hatte nun Mitte Juni einen Gesetzentwurf vorgelegt. Ende letzter Woche beschloss nun der Bundestag das Gesetz. Nach Lage der Dinge könnte es noch im Juli 2013 vom Bundesrat beschlossen werden. Die Ausweitung des Ehegattensplittings betrifft etwa 34 000 eingetragene Lebenspartnerschaften. Auf den Staat kommen damit etwa 55 Millionen Euro pro Jahr zu.

Der besondere Schutz von Ehe und Familie rechtfertigt Ungleichbehandlung nicht

Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts liegen im Wesentlichen die folgenden Erwägungen zugrunde:

1. Das Einkommensteuergesetz ermöglicht Ehegatten, die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer zu wählen, was zur Anwendung des sogenannten Splittingtarifs führt (§§ 26, 26b, 32a Abs. 5 EStG).

Die Beschwerdeführer beantragten nach Begründung eingetragener Lebenspartnerschaften für die Jahre 2001 und 2002 die Zusammenveranlagung mit ihren jeweiligen Lebenspartnern. Die Finanzverwaltung führte stattdessen Einzelveranlagungen durch. Die hiergegen gerichteten Klagen blieben vor den Finanzgerichten und dem Bundesfinanzhof erfolglos. Gegen diese Entscheidungen wenden sich die Beschwerdeführer mit ihren Verfassungsbeschwerden.

2. Die §§ 26, 26b, 32a Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes sind mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit sie eingetragenen Lebenspartnern anders als Ehegatten nicht die Möglichkeit der Zusammenveranlagung und die damit verbundene Anwendung des Splittingverfahrens eröffnen. Die angegriffenen Entscheidungen hat der Senat aufgehoben und die Verfahren zur erneuten Entscheidung an den Bundesfinanzhof zurückverwiesen.

Die Ungleichbehandlung von Verheirateten und eingetragenen Lebenspartnern in den Vorschriften zum Ehegattensplitting stellt eine am allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zu messende mittelbare Ungleichbehandlung wegen der sexuellen Orientierung dar. Auch wenn die Regelung selbst an den Familienstand anknüpft, ist doch die Entscheidung für eine Ehe oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft kaum trennbar mit der sexuellen Orientierung verbunden.

Im Fall der Ungleichbehandlung von Personengruppen besteht regelmäßig eine strenge Bindung des Gesetzgebers an die Erfordernisse des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Die Anforderungen an die Rechtfertigung sind umso strenger, je mehr sich die personenbezogenen Merkmale an die des Art. 3 Abs. 3 GG annähern, das heißt je größer die Gefahr ist, dass die Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt. Dies ist bei Differenzierungen nach der sexuellen Orientierung der Fall.

Allein der besondere Schutz der Ehe und Familie in Art. 6 Abs. 1 GG vermag die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft nicht zu rechtfertigen. Die Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG bildet einen sachlichen Differenzierungsgrund, der in erster Linie dazu geeignet ist, die Ehe gegenüber anderen Lebensgemeinschaften besserzustellen, die durch ein geringeres Maß an wechselseitiger Pflichtbindung geprägt sind. Geht die Privilegierung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer, in vergleichbarer Weise rechtlich verbindlich verfasster Lebensformen einher, rechtfertigt der bloße Verweis auf das Schutzgebot der Ehe eine solche Differenzierung indes nicht.

Der Gesetzgeber hat die Lebenspartnerschaft von Anfang an in einer der Ehe vergleichbaren Weise als umfassende institutionalisierte Verantwortungsgemeinschaft verbindlich gefasst und bestehende Unterschiede kontinuierlich abgebaut. Wie die Ehe unterscheidet sich die Lebenspartnerschaft sowohl von ungebundenen Partnerbeziehungen als auch von den Rechtsbeziehungen zwischen Verwandten.

Es bedarf daher jenseits der bloßen Berufung auf Art. 6 Abs. 1 GG eines hinreichend gewichtigen Sachgrundes, der die Begünstigung von Ehen gegenüber Lebenspartnerschaften gemessen am jeweiligen Regelungsgegenstand und -ziel rechtfertigt. Ein solcher lässt sich für das Splittingverfahren weder aus dem Normzweck noch aus der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers im Steuerrecht herleiten.

Zum Sinn und Zweck des Splittingverfahrens seit 1958

Zweck des 1958 eingeführten Splittingverfahrens ist es, Ehen unabhängig von der Verteilung des Einkommens zwischen den Ehegatten bei gleichem Gesamteinkommen gleich zu besteuern. Das Splittingverfahren nimmt hierbei den zivilrechtlichen Grundgedanken der Ehe als Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs auf.

Auch die eingetragene Lebenspartnerschaft ist als Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs ausgestaltet. Bereits seit ihrer Einführung im Jahr 2001 ist sie in ihren für die steuerrechtliche Anknüpfung wesentlichen Grundzügen mit der Ehe vergleichbar: Die wechselseitige Verpflichtungsbefugnis bei Geschäften zur Deckung des Lebensbedarfs sowie die eingeschränkte Verfügungsberechtigung über eigenes Vermögen sind in beiden Instituten identisch geregelt. Zudem mussten die Lebenspartner bereits seit 2001, wenn sie nicht einen Lebenspartnerschaftsvertrag schließen wollten, die sogenannte Ausgleichsgemeinschaft vereinbaren, für die die Vorschriften für die eheliche Zugewinngemeinschaft entsprechend galten.

Zum 1. Januar 2005 wurde explizit die Zugewinngemeinschaft als Regelgüterstand eingeführt. Darüber hinaus wurde der - bei Ehescheidungen erst seit 1977 stattfindende - Versorgungsausgleich auf die Aufhebung der Lebenspartnerschaft erstreckt.

Nach dem Einkommensteuergesetz hängt die Gewährung des Splittingvorteils allein von der Existenz einer Ehe ab, in der die Partner nicht dauernd getrennt leben. Unbeachtlich ist demgegenüber das Vorhandensein von Kindern.

Das Splittingverfahren erweitert den Spielraum der Ehepartner bei der Aufgabenverteilung innerhalb der Ehe und wird deshalb auch als Regelung angesehen, die vor allem für Familien gedacht ist, in denen ein Ehepartner wegen Familienarbeit (das heißt wegen Kindererziehung oder Pflege) nicht oder nur teilweise erwerbstätig ist.

Jedoch erkennt auch das Lebenspartnerschaftsgesetz - ebenso wie das Eherecht - den Partnern Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf ihre persönliche und wirtschaftliche Lebensführung zu und geht von der Gleichwertigkeit von Familienarbeit und Erwerbstätigkeit aus. Unterschiede zwischen der Lebenssituation von Ehepartnern und Lebenspartnern, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, sind insoweit nicht zu erkennen. Zum einen gibt es nicht in jeder Ehe Kinder und ist nicht jede Ehe auf Kinder ausgerichtet. Zum anderen werden zunehmend auch in Lebenspartnerschaften Kinder großgezogen.

Die Privilegierung der Ehe im Verhältnis zur Lebenspartnerschaft lässt sich vor diesem Hintergrund nicht mit der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers im Steuerrecht begründen. Der Umstand, dass eingetragene Lebenspartnerschaften und Ehen gleichermaßen als Gemeinschaften des Verbrauchs und Erwerbs konstituiert sind, geböte bei einer typisierenden Gruppenbildung eine steuerliche Gleichbehandlung.

Auch unter dem Gesichtspunkt der Förderung des Aufwachsens von Kindern kommt eine typisierende Begünstigung von Ehepaaren gegenüber eingetragenen Lebenspartnerschaften beim Splittingverfahren nicht in Betracht.

Splittingvorteile größer, wenn Kinder einbezogen werden

Nach Berechnungen des Bundesministeriums der Finanzen entfallen zwar 91 Prozent des gesamten Splittingvolumens auf Ehepaare mit aktuell oder früher steuerlich relevanten Kindern. Da der Splittingvorteil umso höher ist, je größer die Einkommensunterschiede zwischen beiden Partnern ausfallen, werden indes eingetragene Lebenspartnerschaften ebenso wie Ehen insbesondere dann vom Splitting profitieren, wenn in ihnen Kinder aufwachsen oder aufgewachsen sind und deshalb einer der Partner nicht oder nur eingeschränkt erwerbstätig ist.

Dass der Kinderanteil bei eingetragenen Lebenspartnerschaften weit unter dem von Ehepaaren liegt, genügt für eine typisierende Beschränkung des Splittingverfahrens auf Ehepaare nicht. Die Benachteiligung von Lebenspartnerschaften beim Splittingverfahren ist ohne größere Schwierigkeiten für den Gesetzgeber und die Verwaltung vermeidbar. Auszublenden, dass auch in Lebenspartnerschaften Kinder aufwachsen, liefe auf eine mittelbare Diskriminierung gerade wegen der sexuellen Orientierung der Partner hinaus.

Änderungen des Gesetzgebers rückwirkend

Aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgericht musste der Gesetzgeber den vom Gericht festgestellten Verfassungsverstoß rückwirkend zum Zeitpunkt der Einführung des Instituts der Lebenspartnerschaft am 1. August 2001 beseitigen. Somit wird im Einkommensteuergesetz festgeschrieben, dass alle Regelungen darin auch »auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften« anzuwenden sind.

Die neue Regelung wird rückwirkend auf Fälle angewendet, in denen die Einkommensteuer nicht endgültig festgesetzt wurde. Von der rückwirkenden Anrechnung des Ehegattenspittings profitieren also diejenigen, die ihre Steuererklärung unter Vorbehalt abgegeben haben.

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