Bei Verhinderungspflege halbes Pflegegeld

Fragen & Antworten zur Pflege

  • Lesedauer: 4 Min.

Seit geraumer Zeit kümmere ich mich um einen pflegebedürftigen Verwandten. Das ist eine körperlich und mental sehr aufreibende Tätigkeit, zumal ich als pflegender Angehöriger selbst schon in einem vorgerückten Alter bin, so dass ein Erholungsurlaub hilfreich sein würde. Was muss ich in einem solchen Fall tun? Wie sehen in einem Verhinderungsfall die gesetzlichen Regelungen für den Pflegebedürftigen aus?
Walter F., Halle (Saale)

Sie sprechen in der Tat ein alltägliches und mit vielen Fragen verbundenes Problem an. Fast 1,2 Millionen Pflegebedürftige werden ausschließlich von ihren Angehörigen zu Hause versorgt. In einem solchen Fall sieht das Sozialgesetzbuch XI in Paragraf 39 die Möglichkeit der sogenannten Verhinderungspflege vor. Die Pflegekassen sind verpflichtet, für maximal vier Wochen pro Jahr die Ersatzpflege mit bis zu 1550 Euro zu finanzieren. Neu ist seit Januar 2013, dass das Pflegegeld für diese Zeit zur Hälfte weitergezahlt wird. In Pflegestufe I sind das 117,50 Euro, in Stufe II werden 220 Euro überwiesen, 350 Euro sind es in Stufe III pro Monat.

Die gleiche Regelung gilt, wenn eine Kurzzeitpflege in Anspruch genommen werden muss. Kurzzeitpflege bedeutet, dass eine zeitweilige Unterbringung in einer stationären Einrichtung nötig ist. Nachzulesen ist das in Paragraf 42 des Sozialgesetzbuches XI.

Sowohl die Verhinderungs- als auch die Kurzzeitpflege ist für den Betroffenen eine enorme Veränderung. Die Entscheidung darüber sollte - sofern das möglich ist - mit dem Pflegebedürftigen gemeinsam getroffen werden. Dabei empfiehlt es sich, eine Pflegeberatung mit einzubeziehen. Gesetzlich Versicherte bekommen den Kontakt über ihre Pflegekasse, privat Versicherte wenden sich an die bundesweite Compass-Pflegeberatung unter der gebührenfreien Telefonnummer 0800 1010 88 00.

Noch ein Wort zu den unterschiedlichen Kosten: Nimmt der Angehörige Urlaub und der Pflegebedürftige wird weiter in seiner Wohnung betreut, können die Kosten der Verhinderungspflege mit den genannten 1550 Euro plus dem halben Pflegegeld in der Regel abgedeckt werden.

Bei der Kurzzeitpflege hingegen entstehen zusätzliche Aufwendungen. Denn die Pflegekasse finanziert auch hier ausschließlich die pflegebedingten Aufwendungen, die soziale Betreuung sowie die medizinische Behandlungspflege. Kosten für Verpflegung und Unterkunft im Heim müssen aus der eigenen Tasche bezahlt werden. Da das halbe Pflegegeld frei verwendbar ist, kann zumindest ein Teil der Rechnung damit beglichen werden. Uwe Strachovsky

Was sollte ich beim Abschluss eines Vertrages mit einem ambulanten Pflegedienst alles beachten? Helmut W., Rostock

Die Wahl eines ambulanten Pflegedienstes ist nicht einfach. Schließlich muss der Pflegebedürftige die fremden Personen nicht nur akzeptieren. Die Art der Hilfe muss auch auf die individuellen Bedürfnisse des Betroffenen zugeschnitten werden können. Die ambulanten Dienste haben durchaus unterschiedliche Spezialisierungen. Manche bieten beispielsweise auch Betreuung bei Demenz an, haben Erfahrungen mit Behinderten oder können die Nachtwache gewährleisten. Bevor man sich entscheidet, empfiehlt sich ein längeres Erstgespräch.

Um zu wissen, worauf zu achten ist, sollte man vor dem Treffen mit dem ambulanten Dienst sein Recht auf eine kostenfreie und anbieterneutrale Pflegeberatung nutzen. Die Experten finden gesetzlich Versicherte bei ihrer Pflegekasse oder einem Pflegestützpunkt. Privat Versicherte wenden sich an die bundesweit agierende Compass-Pflegeberatung unter der kostenlosen Rufnummer (0800) 101 88 00. Diese telefonische Beratung steht natürlich auch gesetzlich Versicherten offen.

Ein Kriterium für die Auswahl des ambulanten Dienstes ist beispielsweise die Anzahl der Mitarbeiter. Schließlich muss gesichert sein, dass der Pflegebedürftige auch bei Krankheit oder Urlaub der Pflegekraft die vereinbarte Unterstützung erhält. Damit kann auch das Risiko vermindert werden, dass der Dienst wegen Personalmangels den Vertrag kündigen muss. Zudem sollte der Dienst einen möglichst hohen Anteil an Pflege-Fachkräften haben. Wichtig sind außerdem die ständige Erreichbarkeit des Pflegedienstes und ein kurzer Draht zu den Angehörigen.

Beim Vertrag selbst sollte darauf geachtet werden, dass er keine Kündigungsfrist enthält. Denn es ist grundsätzlich möglich, dem Pflegedienst fristlos zu kündigen. Das hat in einer Entscheidung der Bundesgerichtshof entschieden (Az. III ZR 203/10).

Begründung: Der Umgang mit pflegebedürftigen Menschen erfordert nicht nur Fachwissen, sondern greift auch in den persönlichen Lebensbereich ein. Für solche Dienste besteht ein fristloses Kündigungsrecht. Der Pflegedienst darf dann auch für den Zeitraum nach der fristlosen Kündigung nichts mehr in Rechnung stellen. Sollte es hierbei Ungereimtheiten geben, empfiehlt es sich ebenfalls, eine unabhängige Pflegeberatung zu Rate zu ziehen.

Auch wenn bisweilen Zeitnot herrscht, sollte man sich nicht drängen lassen, einen Vertrag zu unterschreiben. Vielmehr ist es sinnvoll, eine vierwöchige Probezeit zu vereinbaren. Stimmt trotz aller Bemühungen die Chemie nicht, bleibt nur der Wechsel zu einem anderen ambulanten Dienst. Christina Fischer

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