Gesetz, Gott, Güte

Ingolf Bossenz über Irlands Abtreibungsrecht

  • Lesedauer: 2 Min.

Die einst von Nietzsche gestellte Frage, ob Gott eine Erfindung des Teufels sei, werden gute Katholiken empört von sich weisen. Und die Iren sind zweifellos in ihrer großen Mehrheit gute Katholiken. Dennoch gibt es Fälle, in denen diese Frage mehr als berechtigt erscheint.

Beispielsweise, wenn eine Hebamme und ein Arzt einer wegen ihrer Schwangerschaft in Lebensgefahr befindlichen Frau einen Abbruch mit dem Diktum versagen: »Irland ist ein katholisches Land.« So geschehen im Herbst vorigen Jahres. Die Frau starb und Tausende forderten daraufhin auf den Straßen der Insel eine Reform des rigiden Abtreibungsrechts. Immerhin bis Donnerstagnacht dieser Woche brauchte das Parlament, um zu einem Beschluss zu kommen, der zumindest in den gravierendsten Härtefällen die einzig menschlich gebotene Lösung erlaubt, den Schwangerschaftsabbruch: wenn das Leben der Frau gefährdet ist oder sie droht, sich zu töten, falls sie das Kind austragen muss. Letzteres zeigt allerdings, wie fragwürdig und halbherzig dieses trotz seiner Dürftigkeit in der öffentlichen Debatte erbittert umstrittene Gesetz ist.

Seelische Verzweiflung erst dann gelten zu lassen, wenn sie Menschen dahin führt, die Schwelle zur Selbsttötung zu überschreiten, ist weder mit dem Verweis auf Katholizismus noch mit der Berufung auf Gott zu rechtfertigen. Christen sollten sich erinnern, dass Jesus, als man ihn »gut« nannte, antwortete: »Niemand ist gut als Gott allein.« Güte in solcher Fülle sollte seinen Anhängern eigentlich Motivation genug sein.

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