Bandprobe hinter Bunkertüren

In der alten Garnisonsstadt Koblenz wird über die Zukunft der zahlreichen Luftschutzbauten diskutiert

  • Katrin Hadamik, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein stiller Zeuge der Zeit ist er sicher nicht: Der Bunker im Koblenzer Stadtteil Pfaffendorf wird für Bandproben genutzt. Ein Beispiel für die heutige Nutzung der zahlreichen Luftschutzbauwerke in der alten Garnisonsstadt in Rheinland-Pfalz.

Koblenz. Schwere orangefarbene Druckschutz-Türen, eine kühle, dunkle Atmosphäre, Lüftungsleitungen an der Decke - so sieht es in dem Bunker im Koblenzer Stadtteil Pfaffendorf aus. Unscheinbar liegt er unter der Sporthalle Ravensteynstraße. Er ist einer von insgesamt acht Bunkern in der traditionsreichen Garnisonsstadt am Rhein. Fünf sind im Besitz der Stadt, drei in privater Hand. Einst als Luftschutzbauwerk errichtet, wird nun darüber diskutiert, ob sie als Denkmäler erhaltenswert sind und was man mit ihnen anfangen kann. In Pfaffendorf toben sich beispielsweise Bands aus.

Abriss wäre sehr teuer

Die Meinung von Architekt und Projektentwickler Alexander von Canal, der in Koblenz und Umgebung schon viele Bauprojekte leitete, zu diesem Thema ist zweigeteilt: »Zunächst stehen uns kaum noch gute Grundstücke in Innenstädten - schon gar nicht in Altstädten - zur Verfügung. Die Nachfrage ist groß«, sagt er. Die Bunker des Zweiten Weltkriegs seien in den Zentren der Städte gebaut worden und daher von ihrer Lage her hochinteressant. Aber: »Sie abzureißen, ist wirtschaftlich kaum amortisierbar, so dass sie eher dahindümpeln, bestenfalls zu Lagerzwecken genutzt werden oder überbaut werden.«

Neu sind in Koblenz Überlegungen, Penthouse-Wohnungen auf Hochbunkern zu bauen. Die Räume des Hochbunkers Marienhof werden als Archiv genutzt. Ferner gibt es Pläne, Bunker als historisches Denkmal auszubauen, etwa für eine Ausstellung über den Zweiten Weltkrieg. Gegen diese Idee sprechen, meint von Canal, die jährlich zunehmenden Auflagen in Sachen Brandschutz, Barrierefreiheit und sonstige genehmigungspflichtige Auflagen wie Stellplatznachweis und die Energieeinsparverordnung. Zudem werde dem Bunker mit der Umsetzung dieser Auflagen der Reiz der Ursprünglichkeit genommen. Gerade das mache aber einen Bunker als Ausstellungsort interessant.

Positive Beispiele für eine Nachnutzung sind die Bunker in den Stadtteilen Neuendorf und eben Pfaffendorf. Seit 1989 stellt die Stadt der Musiker-Initiative Music Live Koblenz beide als Proberäume zur Verfügung. Der Hochbunker Neuendorf wurde 2012 endgültig an Music Live verkauft, womit die Jugendkulturarbeit dort gesichert ist. Regelmäßig sind dort Musiker am Start.

»So laut wie wir wollen«

In der Ravensteynstraße in Pfaffendorf probt seit eineinhalb Jahren die Band Hot Barracho. »Sowas wie Jamrock und irgendwie auch Funk«, so beschreibt Sänger und Gitarrist Stephan Püschel die Musik der Gruppe. Zu Hot Barracho gehören neben Püschel noch Martin Klein (Bass), Sebastian Bungert (Saxophon) und Paul Casper (Schlagzeug). Seit 2009 machen sie Musik, 2012 schafften sie es bis ins Viertelfinale des deutschlandweiten SPH-Bandcontest. Besonders einladend ist ihr Bunker-Proberaum unter Tage nicht, und doch ist er für sie der ideale Ort. »Wir können so laut und lange proben wie wir wollen, das ist echt cool«, sagt Bassist Martin Klein. Püschel fügt hinzu: »Hier unten ist auch die Akustik super, und die Luftfeuchtigkeit ist ideal für unsere Instrumente.«

Nachdem der Stadtrat im März die Entwidmung aller Koblenzer Bunker beschlossen hatte, fragten sich die Jungs von Hot Barracho, wie es in der Ravensteynstraße weitergeht. Denn bei einer Entwidmung wird eine Vereinbarung mit dem Bund getroffen, dass die Zweckbindung der Bauten - also der Schutz der Bevölkerung - nicht mehr gilt. Der Verkauf wäre eine mögliche Folge.

Aktuell würden nur drei Entwidmungen von Bunkern betrieben, versichert Wolfgang Schröder vom Amt für Brand- und Katastrophenschutz. Das Pfaffendorfer Exemplar gehöre nicht dazu und solle weiter Eigentum der Stadt bleiben. Generell werde von Fall zu Fall entschieden, ob die Stadt ihre Bunker verkaufe oder anderweitig weiter nutze. Die Jungs von Hot Barracho und andere Musiker können also aufatmen: Die Proberäume bleiben vorerst erhalten.

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