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Gottesdienst der Besitzstandswahrer

Die CSU, Affären und die Vergesslichkeit der Wähler

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 4 Min.
Nichts und niemand scheint die CSU aufhalten zu können, keine der zahlreichen Skandale und augenscheinlich schon gar nicht die bayerische Sozialdemokraten.

Linker Hand der Bühne zeigt ein großes Bild eine Kellnerin mit Bierkrügen, ein Zweites grüne Weintrauben, dann ein Traktor auf dem Felde. Rechter Hand sind drei kleine Kinder in Lederhosen und Dirndl, eine fränkische Burg mit Fachwerk und das neue Auslieferungszentrum von BMW zu sehen. In der Mitte steht CSU und davor CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Wir sind in der bunkermäßig abgeschotteten »Kleinen Olympiahalle in München«, es ist Freitag Nachmittag und hier eröffnet die CSU ihren Wahlkampf mit einem Parteitag. Es ist 16.30 Uhr als Dobrindt frohlockt: »Die Ausgangslage ist gut!« Und: »18 Prozent für die SPD ist ein Desaster, ein Debakel.«

Pünktlich zum Auftakt für die Bundestags- und Landtagswahl im September hatte eine Umfrage des Bayerischen Fernsehens 47 Prozent der Stimmen für die CSU errechnet, was der Partei wieder Hoffnung auf eine absolute Mehrheit gibt. Die SPD hingegen dümpelt trotz ihres Spitzenkandidaten, dem Münchner Oberbürgermeister Christian Ude, bei 18 Prozent der Stimmen. Zwar muss man Umfragewerte als das nehmen, was sie sind - unsichere Prognosen - aber sie sind nicht völlig aus der Luft gegriffen.

So beflügelt betritt der amtierende bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer die Bühne und verkündet den Delegierten und den Menschen im Lande, was die CSU seit jeher verkündet: »Die Bayern sind in hohen Maße zufrieden mit ihrer Regierung«; »Bayern steht gut da«; »Wir haben gute Arbeit geleistet und deshalb haben wir das Vertrauen der Bevölkerung«; »Bayern ist eine Insel der Stabilität«.

Wieder eine absolute Mehrheit für die CSU? Warum? Vielleicht sollte man sich angesichts dieser Frage und der Umfragewerte in eine der vielen barocken Kirchen in Bayern begeben. Dort finden sich vorne der mächtige goldgeschmückte und prächtige Hauptaltar und links und rechts des Kirchenschiffes die kleinen Nebenaltäre mit den Beichtstühlen. Vielleicht ist es so, dass die Bayern trennen. Die Landtagswahl ist dann so etwas ähnliches wie ein Hochamt am Hauptaltar, das immer mit dem Kreuz bei der CSU endet. Und all die Tagespolitik, die Inhalte und all die Affären, sind Angelegenheiten für die Nebenaltäre.

Irgendwann in seiner eineinhalbstündigen Rede sagt Seehofer: »Nirgendwo stehen Ehe und Familie so im Zentrum wie in Bayern!« Und kurz darauf: »Nichts verblasst so schnell, wie die Erinnerung in der Politik.« Das gilt auch für die diversen Affären der CSU, angefangen vom Ehebruch des katholischen Parteichefs über die Niederlagen beim Rauchverbot und bei den Studiengebühren. Die Milliardenpleite der Bayerischen Landesbank, die Atom-Wende, die Proteste gegen die neue Startbahn am Münchner Flughafen, das Versagen des Verfassungsschutzes bei den NSU-Morden, der Fall Gustl Mollath und zuletzt die Affäre um die Begünstigung von Familienmitgliedern im Landtag - nichts, aber auch gar nichts scheint das geradezu suchtartige Verlangen der bayerischen Wähler nach einer CSU-Mehrheit bremsen zu können.

In dieser Hinsicht ist es eigentlich auch fast wurscht, was die CSU in ihr »Der Bayernplan« genanntes Wahlkampfprogramm reinschreibt, das Seehofer fragmentarisch vorträgt. Hauptpunkte sind dabei der völlige Abbau der Jugendarbeitslosigkeit, eine »Garantie« für Ganztagsangebote an Schulen, eine Mütterrente und den Erhalt des Ehegattensplittings. Es ist ein Wohlfühlprogramm für alle, das manchmal von der SPD abgeschrieben wurde (»Mieterhöhung auf 15 Prozent begrenzen«) und manchmal durch die reale Politik der CSU konterkariert wird, etwa wenn »bezahlbarer Wohnraum« gefordert wird, gleichzeitig aber CSU-Finanzminister Markus Söder 32 000 GBW-Wohnungen an einen privaten Investor verkauft.

Und wohlfühlen soll sich vor allem die bayerische Wirtschaft. »Wenn sich im Landtag drei Abgeordnete mit der gleichen Meinung melden, weiß ich, das ist Brossardt«, erzählt Seehofer im Laufe seiner Rede. Und ergänzt: »Und das ist gut so.« Er meint Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der »Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft«, die auch schon mal Noten für das CSU-Programm vergibt. (»bietet insgesamt viele Einfallstore für (unnötige) Regulierungen und gewerkschaftliche Anliegen«).

Und so ist die eigentliche Botschaft, die Seehofer aussendet, wie ein wohliges Wohlstandsbrummen, bei dem der Parteikörper der CSU jene Teile der bayerischen Volksstämme zum Schwingen bringt, die mit ihrem Wohlstand und ihrem Konservatismus den entsprechenden Resonanzboden bieten. Dieses Brummen, in dem die Abwehr all jener Dinge und Menschen mitschwingt, die den Besitzstand angeblich gefährden, ist die kontinuierliche Hauptagenda der CSU, ist der Gottesdienst vorne am Hauptaltar.

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