Thüringen: Rätselraten um Lieberknecht

Weshalb die Luxus-Versorgung für Ex-Sprecher?

  • Lesedauer: 3 Min.
Die Affäre um die Pensionsansprüche ihres Ex-Sprechers hat Thüringens Ministerpräsidentin Lieberknecht Ansehen gekostet. Jetzt ist sie um Schadensbegrenzung bemüht.

Erfurt (dpa/nd). Die Ruhe in den Tiroler Alpen dürfte Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht dieser Tage kaum genießen können. Die Affäre um die Luxus-Versorgung ihres ehemaligen Regierungssprechers Peter Zimmermann schlägt immer höhere Wellen - und hat die 55-jährige CDU-Politikerin jetzt auch in ihrem Familienurlaub eingeholt. Nach Wochen des Schweigens und wachsendem öffentlichen Druck blieb Lieberknecht nichts anderes übrig, als aus der Ferne die Reißleine zu ziehen.

Zimmermann wechselt zu einem Unternehmen nach Leipzig. Ursprünglich von Lieberknecht in den einstweiligen Ruhestand versetzt, erwies er seiner einstigen Chefin nun einen letzten Freundschaftsdienst und bat selbst um seine Entlassung. Mit dem damit einhergehenden Verzicht auf satte Pensionsansprüche aus der Landeskasse hofft Lieberknecht, die »Causa Zimmermann« abschließen zu können. Doch der Fall ist für die Regierungschefin längst nicht ausgestanden und hat das Image der CDU-Politikerin angekratzt.

Eigentlich war für Lieberknecht auf der politischen Bühne immer alles glatt gelaufen. Seit 2009 managt sie die CDU/SPD- Koalition in Erfurt. Ihre moderierende Art brachte der früheren Pastorin oft den Vergleich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest-Dimap genoss Lieberknecht noch bis vor kurzem in Thüringen so hohe Sympathiewerte wie nie. Gut ein Jahr vor der Landtagswahl gaben 65 Prozent der Befragten an, mit ihrer Arbeit zufrieden bis sehr zufrieden zu sein. Wie also konnte es passieren, dass ein Polit-Profi wie Lieberknecht ausgerechnet im Fall Zimmermann das Gespür verlor und den 37-Jährigen sogar gegen den Ratschlag der eigenen Beamten in den Ruhestand versetzte? Eine Frage, auf die Opposition und der Koalitionspartner SPD nach wie vor eine Antwort erwarten. Lieberknecht hatte Zimmermann gleich zu Beginn ihrer Amtszeit an ihre Seite geholt und ihn zum Staatssekretär gemacht. Zuvor hatte der smarte Journalist bereits für die Regierung in Sachsen gesprochen. Beiden wurde ein inniges Verhältnis nachgesagt.

Für die SPD ist die Affäre eine Steilvorlage. »Zerschlagenes Porzellan«, »beschädigte Glaubwürdigkeit« und »mangelnde Sensibilität« sind nur einige der Vorwürfe, die die Sozialdemokraten seither gegen Lieberknecht erhoben. Wirtschaftsminister Matthias Machnig warf ihr sogar arglistige Täuschung vor. Der Fall Zimmermann wurde zunehmend zur Belastungsprobe für die Regierung. »Entweder ist das die größte Vertrauenskrise dieser Koalition oder Sommertheater«, rätselt der LINKE-Fraktionschef Bodo Ramelow.

Die Entlassung Zimmermanns sollte der Befreiungsschlag für Lieberknecht werden. Doch Ärger droht der Regierungschefin nach wie vor - vonseiten der Staatsanwaltschaft. Diese prüft nach einer Untreue-Anzeige der Grünen-Landtagsfraktion weiterhin eine Aufhebung der Immunität von Lieberknecht. Dies wäre für die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens notwendig. Für Grünen-Landessprecher Dieter Lauinger ist daher klar: »Die Geschichte um Peter Zimmermann ist zu Ende, die Geschichte um Christine Lieberknecht noch nicht.«

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