Wo liegt der Rubikon?

Die Flüsschen Fiumicino, Piasciatello-Urgòn und Uso streiten um die historische Bezeichnung

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Rubikon? Den Namen kennt doch eigentlich jeder! Das ist ein Fluss mit historischer Bedeutung. Tatsächlich kann aber heute, über 2000 Jahre nach den geschichtlichen Ereignissen, in denen er eine wichtige Rolle spielt, niemand genau sagen, wo dieser mysteriöse Wasserlauf genau liegt.

»Alea iacta est - Der Würfel ist gefallen«. Diesen Satz hat wahrscheinlich jeder schon einmal gehört und die meisten wissen auch, dass ihn Julius Cäsar 49 v. Chr. aussprach, bevor er mit seinen Truppen einen bestimmten Fluss überquerte. Er ignorierte damit das Gesetz, das es bewaffneten Männern verbot, das eigentliche römische Territorium zu betreten. Damit begann der Putsch gegen den damaligen Machthaber Pompeius, aus dem Cäsar als Sieger hervorging. Danach stieg ihm die Macht allerdings zu Kopfe und nur fünf Jahre später wurde er von Brutus erstochen.

Das ist Geschichte. Geschichtlich belegt ist auch die Tatsache, dass besagter Fluss (damals) Rubikon hieß und sich irgendwo zwischen den heutigen Städten Cesena und Rimini an der italienischen Adria befand. Doch jetzt kommt‘s: Irgendwann in grauer Vorzeit wurde das Gewässer umbenannt und nun kann man das nicht mehr rekonstruieren. Wo liegt dieser Rubikon also genau und welcher der drei Flüsse, die in Frage kommen, ist nun der »richtige«?

Diese Frage bewegt die Gemüter seit Jahrhunderten und hat immer wieder zu Streitigkeiten geführt: Schließlich möchte ja jedes Dorf den Beinamen »am Rubikon« tragen, weil dies wahrscheinlich Touristen anziehen könnte und man außerdem auch etwas haben möchte, auf das man stolz sein kann. Die drei Flüsse - aber man sollte wohl eher von Bächen oder Rinnsalen sprechen - die in Frage kommen, sind Fiumicino, Piasciatello-Urgòn und Uso. 1933 beschloss der faschistische Diktator Benito Mussoli per Dekret, dass ersterer der wahre Rubikon sei. Er tat das, weil er ja bekanntlich an die römische Geschichte anknüpfen und sich selbst als neuer Julius Cäsar verkaufen wollte: Der Fiumicino fließt ganz in der Nähe seines Heimatortes Predappio vorbei und zu sagen, dass das eigentlich der Rubikon ist, sollte das Cäsaren-Image von Mussolini aufpeppen. Nur sprechen auch tatsächlich einige Fakten für diese Theorie: Hier gibt es eine altrömische Brücke und einige historische Dokumente legen den Schluss nahe, dass Fiumicino und Rubikon das gleiche sind.

Alles schön und gut, sagt der Historiker Paolo Turroni aus Cesena. Für ihn steht allerdings fest, dass der Urgòn-Pisciatello der richtige Fluss ist. Dafür sollen altrömische Lager, die Namen einiger Orte, antike Pergamente und vor allem eine alte Landkarte sprechen, die in den Vatikanischen Museen aufbewahrt wird. Außerdem soll auch Boccaccio, der berühmte Autor des Dekameron, im 14. Jahrhundert den Urgòn-Pisciatello mit dem Rubikon gleichgesetzt haben.

Nein, nein, meine Herren, meint Geschichtsprofessorin Cristina Ravara Montebelli aus Rimini: Der wirkliche Rubikon heißt heute Uso! Als Beweis führt sie unter anderem ein Urteil des Vatikangerichts Sacra Rota von 1750 an, das besagt, dass genau dieser Fluss vor 2000 Jahren die Grenze zwischen den Provinzen und dem Herzstück des römischen Reichs markierte. Und nicht nur das: Auch über den Uso führte eine altrömische Brücke und 1949 hat man hier auch einen alten Meilenstein gefunden.

Wer hat den nun Recht? Da steht uns Laien wohl kein Urteil zu, wenn selbst die Fachleute sich zumindest verbal die Köpfe einschlagen und es wohl auch noch viele Jahre lang tun werden. Ein Vorschlag zur Güte: Warum nennen sich nicht alle die drei Flüsse Rubikon? Den Tourismus würde das sicherlich ungeheuer beleben.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal