Bundeswehr kämpft mit sich selbst

Afghanistan: Immer wieder Mängel bei Ausbildung und Ausrüstung

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
»Resolute Support« heißt die von der NATO dominierte Mission, die der ISAF in Afghanistan folgen soll. Der Codename bedeutet so viel wie entschlossene Unterstützung. Davon kann die Bundeswehr schon jetzt eine Menge selbst gebrauchen.

Zitat Verteidigungsministerium: »Am 6. August kam es um 7.10 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit im Feldlager Masar-i Scharif zu einer ungewollten Schussabgabe ... Dabei lösten sich drei Schuss aus einer Maschinenpistole MP 7.«

Sollte nicht sein, aber kann ja mal passieren. Mal - doch derartige Meldungen häufen sich. Am 25. Juli kam es in Masar-i Scharif durch die falsche Handhabung einer P8-Pistole ebenfalls zu einer ungewollten Schussabgabe. Auch am 23. Juli, am 10. Juni und am 13. April. Am 16. Juni war ein Soldat zur Abwechslung mit einem G36-Sturmgewehr unachtsam. Am selben Tag löste sich wieder ein Schuss aus einer P8. Am 9. Juni ballerte ungewollt ein Heck-MG eines deutschen Transportpanzers in einem US-Camp los, am 15. April das Turm-MG eines »Marder«, am 13. März 2012 ein Sturm-gewehr ...

Die Bilanz solcher Vorkommnisse könnte schlimmer sein. Nach einer unvollständigen Übersicht wurden bislang mindestens 15 deutsche Afghanistankämpfer durch »ungewollte Schussabgaben« getötet oder verletzt. Insgesamt kamen 54 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan ums Leben, davon 35 durch sogenannte Feindeinwirkung.

Doch nicht nur die Ausbildung der Soldaten scheint mangelhaft. Auch bei der Ausrüstung gibt es Probleme. Zitat Verteidigungsministerium: »Am 5. August kam es um 15.15 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit auf dem Flugplatz Masar-i Scharif zu einem Zwischenfall mit einem deutschen Hubschrauber vom Typ NH-90.« Kurzfassung: Das rechte Hauptfahrwerk knickte weg.

Der NH-90-Hubschrauber von der EADS-Tochter Eurocopter ist ein typisches Rüstungsprojekt: Mehr Schein als Sein! Insgesamt 14 Nationen hatten Bestellungen für Land- und Marineversionen abgegeben, denn der Typ galt als das Nonplusultra der Drehflügler-Fliegerei. Ab 2004 sollte geliefert werden. Doch wie beim Transportflugzeug A400M (das gerade wieder Zulassungsprobleme hat) und beim Kampfhubschrauber »Tiger« verzögert sich die Auslieferung. 2010 kamen die ersten aus den Produktionshallen. Statt der ursprünglich bestellten 122 NH-90 will das reformorientierte Verteidigungsministerium nun nur noch 82 Stück. Ohne dass dadurch die Kosten adäquat sinken. Für die NH-90 und die »Tiger« - insgesamt 139 Maschinen sowie 18 Marinemaschinen - sank der Preis von 8,3 Milliarden Euro auf 8,1 Milliarden.

In Afghanistan warteten die deutschen Soldaten dennoch seit langem auf die Technik, denn die USA wollen abzugsbedingt ihre Rettungsflugzeuge nicht weiter im deutschen Verantwortungsbereich belassen. Inzwischen sind vier deutsche NH-90 als sogenannte Forward Air MedEvac im Afghanistaneinsatz. Das heißt, sie waren. Denn so lange der General Flugsicherheit die Untersuchungen zu den Unfallursachen nicht beendet hat, bleiben sie am Boden.

Das mussten sie bereits während des jüngsten Hochwassers an Donau und Elbe. Der Haken zum Schleppen von Sandsäcken klinkte seine Last aus, wann und wo er wollte. Schon während der Erprobung der Vorserienmaschinen hatte eine Expertentruppe der Luftlande- und Lufttransportschule eine schier endlose Mängelliste aufgestellt und empfohlen: »Wann immer möglich, sind alternative Luftfahrzeuge zur Verbringung von Infanteriekräften zu nutzen.«

Entsprechend spöttisch empfing man die Hightech-Neuankömmlinge in Afghanistan. »Die Mama macht das schon«, hatten Besatzungen dieser »Alternativen« auf eine Karikatur geschrieben. Mama, das ist ein altgedienter CH-53-Bundeswehrhelikopter. Sie hielt die »Kinder«, NH-90 und »Tiger«, schützend unter ihren Armen.

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