Offene Psychiatrie

Ingolf Bossenz über Wahnsymptome des Staates

  • Lesedauer: 2 Min.

Der Staat gibt sich generös. In Bayern: Mollath - frei. In Russland: Chodorkowski - Straflager um zwei Monate reduziert. In den USA: Manning - 46 (!) Jahre Haft weniger als Strafandrohung. Des Letzteren Vater zeigte sich erschüttert - »trotz der Begrenzung der möglichen Haftdauer«, wie eine Nachrichtenagentur zu Recht ihr Unverständnis ausdrückte. Schließlich könnten selbst von den nun noch angedrohten 90 Jahren am Ende lediglich 80 oder gar nur 70 verhängt werden. Statt Freude Undank. Wie auch im Fall Chodorkowski. Der Mann hat die meiste Zeit ohnehin abgesessen und weiß jetzt, dass er in einem Jahr freikommt. Nach fast elf Jahren. Bei Mollath waren›s nur sieben. Und er wusste vorher nicht, dass er freikommt. Sollte eine Überraschung sein.

Drei Männer, die weggeschlossen - waren, werden, sind. In Anstalten, um die draußen Bleibenden vor ihnen zu schützen. Oder? Die Verschwommenheit der Vorwürfe bereitet auch dem Staat Verdruss. Deshalb die fast zeitgleich vollzogene Prozedur dieser Akte. Staats-Akte. Politische Pornografie pur. Mit dem penetranten Anspruch der Omni-Potenz. Ein Wahnsymptom, das nicht nur Nietzsches Urteil rechtfertigt, der Staat sei »das kälteste aller kalten Ungeheuer«. Es rechtfertigt auch die Einweisung. Sofort, unverzüglich, würde Schabowski sagen. Doch eingewiesen werden immer nur die anderen. Aber was, wenn der schlimme Schein trügt? Und Manning, Mollath et al. lediglich Verlegte sind. Von der großen, offenen Psychiatrie in die geschlossene. Das wäre doch irre!

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