Unterschriften gegen Flüchtlingsheim

Pläne der Stadt Mainz stoßen weiter auf Protest

  • Robert Luchs, Mainz
  • Lesedauer: 3 Min.
Alle Parteien im Ortsbeirat von Mainz-Bretzenheim hatten sich für die Aufnahme von 60 Asylbewerbern ausgesprochen. Doch nun musste der Ortsvorsteher einräumen, dass der Protest gegen das geplante Flüchtlingsheim unerwartet heftig ausfällt.

Der Ärger werde sich in Grenzen halten und »so etwas wie in Gonsenheim wird es hier nicht geben«, ließ der Ortsvorsteher des Mainzer Stadtteils Bretzenheim, Wolfram Erdmann (CDU), etwas zu vollmundig vernehmen. Gemeint hatte er die Unterbringung von Flüchtlingen, die zuvor in Mainz-Gonsenheim auf Ablehnung zahlreicher Bürger gestoßen war.

Nach dem entsprechenden Verteiler soll Rheinland-Pfalz insgesamt 4800 Menschen aus Krisen- und Kriegsgebieten aufnehmen. In diesem Jahr werden es allein in der Landeshauptstadt 240 Flüchtlinge sein. Zunächst war geplant, 60 Flüchtlinge in einem ehemaligen Hotel im Stadtteil Gonsenheim unterzubringen.

Tradition der Toleranz

Doch bereits die Ankündigung der Stadt hatte bei den Anwohnern heftige Reaktionen ausgelöst, sogar mit Klagen wurde gedroht. Das Hotel sollte ursprünglich für zwei Jahre angemietet werden. Als der Widerstand der Bewohner des als »vornehm« geltenden Ortsteils bei anderen Bürgern auf Unverständnis stieß und an die tolerante Tradition der Gutenberg-Stadt erinnert wurde, war plötzlich von »unwürdigen Zuständen« die Rede. Es sei unzumutbar, 60 Flüchtlinge auf kleinstem Raum in dem Hotel unterzubringen. Daraufhin änderte die Stadtverwaltung ihre Pläne und kündigte an, zwei von fünf ehemaligen Notunterkünften in der Zwerchallee für 120 Flüchtlinge herzurichten.

Weitere 60 Asylbewerber sollen im Ortsteil Bretzenheim untergebracht werden. Alle Parteien im dortigen Ortsbeirat hatten sich für die Aufnahme der Flüchtlinge ausgesprochen. Die Anwohner sollten von der Stadt aus erster Hand informiert werden. Doch bereits kurz darauf sammelte ein Ehepaar aus Bretzenheim an einem Stand Unterschriften für einen Bürgerantrag gegen die Errichtung eines geplanten Flüchtlingsheims ab 2014. Rechte Parolen würden sie allerdings nicht zulassen, »dann brechen wir den Stand unverzüglich ab«, erklärte das Ehepaar. Mit dem Bürgerantrag solle die Stadt dazu gebracht werde, das für Flüchtlinge vorgesehene Gebäude in eine Kindertagesstätte umzubauen.

Als schließlich 180 Unterschriften vorlagen, musste Ortsvorsteher Erdmann einräumen, der Protest sei massiver als er gedacht habe. Das Bretzenheimer Ehepaar betont, es handele sich um einen »demokratischen Bürgerprotest« und eine offene Plattform für Anwohner, die ihre Meinung äußern wollten. Tatsächlich hatte die Stadt es versäumt, rechtzeitig und umfassend über die Aufnahme und Unterbringung der Flüchtlinge in den einzelnen Ortsteilen zu informieren. Erst Anfang der Woche verschickte die Stadtverwaltung Einladungen an die Anwohner, um für eine Informationsveranstaltung am 20. August zu werben.

Sozialer Brennpunkt?

Inzwischen muss sich die Stadt von dem Ehepaar vorwerfen lassen, sie nehme zu wenig Rücksicht auf die angrenzende Wohnbebauung. Hinzu komme eine überproportionale »Belastung« des Stadtteils Bretzenheim, wo es bereits eine Flüchtlingsunterkunft (Alte Ziegelei) gebe. Von einem sozialen Brennpunkt ist die Rede, und auch Ortsvorsteher Erdmann, der die Flüchtlinge in Bretzenheim willkommen geheißen hatte, bleibt nicht ungeschoren. So schreibt ein Anwohner: »Die Willkommensgrüße kann ich nicht mittragen. In einer solchen Nachbarschaft möchte ich auch nicht mehr wohnen.«

Noch vor knapp 20 Jahren hat Mainz erheblich mehr Flüchtlinge beherbergt; 1994 waren nahezu 3100 Menschen überwiegend in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal