Die Welt in Währungsturbulenzen

Die Finanzkrise der Industrieländer erreicht die Schwellenländer / Syrien-Konflikt heizt Spekulation an

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Sorge vor einer Eskalation des Syrien-Konflikts hat die bereits vorhandenen Turbulenzen an den Währungsmärkten noch verstärkt. Auch die Ölpreise stiegen stark an. Der Preis für ein Fass der Nordseesorte Brent erhöhte sich am Mittwoch um 2,75 Dollar auf 117,11 Dollar.

Seit der Währungsreform 2005 war die türkische Lira nie so wenig wert wie diese Woche: Am globalen Devisenmarkt müssen fast drei Lira pro Euro hingelegt werden. Auch in anderen Schwellenländern wie Brasilien und Indien steht die Währung unter Druck. Ökonomen geben der US-Zentralbank Fed die Schuld. Doch das greift zu kurz.

Nicht nur in der Türkei, die als Nachbar die Auswirkungen des Syrien-Konfliktes spürt, sondern auch in Indien, Indonesien, Malaysia und Thailand verlieren Währungen an Wert. Noch nie mussten so viele indische Rupien für einen Dollar gezahlt werden wie in diesem Monat. In Brasilien brodelt es an den Devisenbörsen: Mit einem schockartigen Wertverfall von rund 20 Prozent gegenüber dem Dollar gehört der Real in diesem Jahr zu den schwächsten Währungen der Welt.

Ausgelöst hat die Turbulenzen die Fed. Mitte Mai kündigte sie ein mögliches Auslaufen der Flut billiger Dollars an, mit der Fed-Boss Ben Bernanke auf die Finanzkrise seit 2007 reagierte. Frühestens im September wird Bernanke den Geldhahn etwas zudrehen. Allein die Ankündigung der leichten Kursänderung führte zu heftigen Turbulenzen, wie das große Misstrauen »der Märkte« gegenüber den Schwellenländern belegt.

Brasilien, Indien, Indonesien und die Türkei haben ihr Wachstum lange mit ausländischem Kapital finanziert. Banken, Spekulanten und Konzerne in den Industrieländern pumpten sich seit 2007 Dollar und Euro bei den Notenbanken fast zum Nulltarif - und legten es in Asien, Lateinamerika und Südafrika an. Dort lockten hohe Zinsen und Kursanstiege. Der Geldfluss läuft nun umgekehrt: Täglich ziehen Investoren Milliarden ab.

Für die Menschen in Indien, Brasilien oder Südafrika ist das bedrohlich. Der Währungsverfall verteuert den Import von Energie und Maschinen, für Investitionen im Land fehlt (ausländisches) Kapital, Unternehmen und Staat müssen extra hohe Zinsen für Kredite stemmen.

Dabei spielen nicht nur globale Rahmenbedingungen - besonders Krisen in einigen Industrieländern - eine Rolle. »Vielmehr kommen hierbei auch hausgemachte Wachstumshemmnisse zum Tragen«, analysiert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Die Entwicklung reicht nicht aus, um die wachsende Bevölkerung in Lohn und Brot zu bringen.

Diese Woche verabschiedete Indiens Parlament ein Ernährungsprogramm für 820 Millionen Menschen - zwei Drittel der Bevölkerung. In vielen Schwellenländern lebt die Wirtschaftselite über ihre Verhältnisse: Hohe Leistungsbilanzdefizite - in Indonesien z.B. 4,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes - sind trotz rasanten Wirtschaftswachstums die Folge. Das Land importiert mehr, als es exportiert.

Andererseits stützte sich der China-Boom einseitig auf Exporte in den Westen. Der Exportweltmeister versucht nun, seine Wirtschaft stärker auf Binnennachfrage umzustellen. Und auch die einseitige Ausrichtung auf (Agrar-)Rohstoffe ist riskant: Der Kreditversicherer Delcredere NV bewertet die Nummer eins, Brasilien, auf der Skala von A bis C nur noch mit C: »hohes Geschäftsrisiko«.

Auch die Aussichten sind trüb. Soziale Brandherde, mangelhafte Bildungssysteme, fehlende Häfen und Stromanschlüsse gefährden die Entwicklung. In den Schwellenländern deute sich »eine abnehmende gesamtwirtschaftliche Dynamik an«, befürchtet die linke Ökonomin Mechthild Schrooten. Auch in der Türkei: Seit Juni hob die Zentralbank ihren Leitzins auf 7,75 Prozent an, um Fluchtgeld im Land zu halten. Die Europäische Zentralbank verlangt nur 0,5 Prozent. Und türkische Staatsanleihen liegen bei 10,5 Prozent Rendite - mehr als das Doppelte von dem, was selbst Eurokrisenstaaten aufbringen müssen.

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