»Inhalte überwinden«

Gregor Gysi traf in einer Berliner Kneipe auf den Vorsitzenden der Spaßpartei Die PARTEI

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 4 Min.
Wenn Politiker auf Satiriker treffen, wird es selten richtig lustig. Auch Gregor Gysi hatte am Donnerstag so seine Probleme mit dem ehemaligen »Titanic«-Chefredakteur und Spaßparteigründer Martin Sonneborn.
Gysi und Sonneborn gemeinsam am Tresen
Gysi und Sonneborn gemeinsam am Tresen

Ob Gregor Gysi wirklich wusste, worauf er sich da eingelassen hatte? Der Fraktionschef der LINKEN im Bundestag wirkte etwas verloren, als er die verräucherte »Manyobar« im Berliner Stadtteil Treptow betrat. Während sich auf den Sofas Vertreter der LINKEN und der Satirepartei Die PARTEI lümmelten, sollte Gysi sich ein kleines Rededuell mit dem Satiriker und Parteichef Martin Sonneborn liefern. Vorlage für dieses nicht ganz ernst gemeinte Tresengespräch war das TV-Format »Dittsche«, so jedenfalls wollten es die Organisatoren des Abends von LINKE und PARTEI. In dem preisgekrönten Original steht Hauptdarsteller Olli Dittrich im Bademantel in einem Hamburger Schnellimbiss und philosophiert über Gott und die Welt.

Gysi und Sonneborn sollten es ihm gleichtun, taten sich aber vor allem schwer. Es blieb oft beim vorsichtigen Abtasten. »Ich habe Bammel, dass sie mich die ganze Zeit verarschen wollen«, so Gysi zu Beginn des Gesprächs. Sonneborn, der sonst so scharfzüngige Provokateur, hielt sich merklich zurück. Beißhemmung aus Sympathie oder doch Respekt vor dem Politprofi? Gysi wirkte souveräner und übernahm schnell die Gesprächsführung. Vielleicht auch, weil jemand die Füße von Sonneborns Barhocker verkürzt hatte. So saßen sich die beiden auf Augenhöhe gegenüber. Sicher ein Vorteil für Gysi.

Die Unterhaltung drehte sich oft um Sonneborns Spaßpartei, die unter dem Motto »Inhalte überwinden« zur Bundeswahl antritt. Er habe die Partei 2004 gegründet, weil es die LINKE damals noch nicht gab, so der ehemalige Chefredakteur des Satiremagazins »Titanic«. Zuvor sei er vielen Parteien beigetreten, habe aber nirgendwo eine politische Heimat gefunden. In seiner Funktion als Chefredakteur habe er ausländerfeindlichen Wahlkampf für die CDU und antisemitische Kampagnen für die FDP gemacht. Die »Titanic« ist berüchtigt für ihre Guerilla-Aktionen in Fußgängerzonen, bei denen verkleidete Redakteure vorgeben, im Namen einer Partei zu agieren. Nach den antisemitischen Äußerungen des damaligen FDP-Vizevorsitzenden Jürgen Möllemann machte man in Eisenach Wahlwerbung für die Liberalen, mit Plakaten wie »FDP - Judenfrei und Spaß dabei!«. Der liberale Kreisvorsitzende Klaus Schneider besuchte den Stand der vermeintlichen Parteikollegen und ließ sich mit diesen zusammen fotografieren. Als Hessens CDU-Chef Roland Koch im Jahre 1999 Ressentiments gegen Migranten schürte, da bastelten die Redakteure Wahlplakate, auf denen zu lesen war: »Die Ausländer sind da. Schöne Scheiße. Ihre CDU.«

Auch die Linkspartei bekam schon ihr Fett weg. In Erfurt sollen Wahlplakate der PARTEI hängen, auf denen zu lesen ist: »Erst nehmen sie uns unsere Würde und jetzt unsere Weiber«. Versehen ist der Slogan mit einem Bild des LINKEN Traumpaares Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht. Insbesondere unter den anwesenden Linksparteimitgliedern ist das Gelächter groß.

Gysi bohrte oft nach und versuchte zu ergründen, was für ein Menschen dort neben ihm am Tresen saß. Doch Sonneborn wich aus. Lediglich auf die Frage, wo er geboren sei, antwortet er kurz: »Ich sage es ungern, aber in Göttingen«.

Der Satiriker sei ein gekränkter Idealist, schrieb Kurt Tucholsky einmal. Auch Sonneborn scheint einer jener gekränkten und von der Welt enttäuschten zu sein. Seine Satiren sind immer bissig, entlarvend und nur in den seltensten Fällen unpolitisch. Auch seine Spaßpartei ist mehr als blanker Nonsens. Sie stellt vielmehr den deutschen Politikbetrieb bloß. Ihre hohlen Phrasen unterscheiden sich kaum von den flachen Slogans, die Werbeagenturen für die vermeintlich seriösen Parteien entwickeln. So machte man aus dem »Das Wir entscheidet« der SPD kurzerhand »Das Bier entscheidet«.

In einem Bundestagswahlkampf, der keiner ist, weil Angela Merkel als Siegerin bereits feststeht und die politische Konkurrenz mit ihrer »asymmetrischen Demobilisierung« neutralisiert, ist Sonneborns Spaßpartei ein belebendes Element. Als jemand Gysi das Wahlprogramm der PARTEI reichte, stutzte dieser: »Das hat der Bundeswahlleiter durchgehen lassen?«. »Der ist gar nicht zuständig, sonst wäre auch die FDP in Schwierigkeiten«, antwortete Sonneborn.

Das 10-Punkte-Wahlprogramm der PARTEI hat es in sich. Neben der Einführung einer »Faulenquote« und der »Abschaffung der Sommerzeit« findet sich auch die Forderung nach der »Begrenzung von Managergehältern«. Allerdings auf das »25 000-fache eines Arbeiterlohns«. Gysi schlug vor, auch das Gehalt des Deutsche Bank-Chefs auf das 20-Fache seiner Pförtner zu begrenzen. Dann würde sich der Boss plötzlich auch für das Einkommen seines Angestellten interessieren, so Gysi.

Ansonsten blieb es oft bei kleinen Geplänkeln. Gysi beschwerte sich, weil man ihm Pils eingeschenkt hatte, während sein Gegenüber alkoholfreies Bier trank. Schließlich nutzte der Fraktionschef die Pinkelpause des Satirikers, um diesem einen Wodka ins vermeintlich harmlose Bier zu gießen. Das war aber auch schon die wohl spektakulärste Aktion des Abends. Gysi zeigte zum Schluss Einsicht: »Herr Sonneborn, machen sie Satire weiter. Ich bin dazu ungeeignet«.

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