Mit dem Traktor gegen Fracking

Nicht nur in Hamburg demonstrierten Initiativen gegen riskante Erdgassuche

  • Reinhard Schwarz, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Kritiker befürchten eine Gefahr für das Grundwasser, wenn in Hamburgs ländlichem Raum nach Erdgas gebohrt wird. Zum bundesweiten Anti-Fracking-Tag demonstrierten deshalb mehrere Hundert Menschen. Auch andernorts gab es Proteste.

Wer am Sonnabend am Hamburger Hauptbahnhof zur Anti-Fracking-Demo wollte, musste an Polizisten in schwerer Kampfmontur vorbei. Doch deren Aufmarsch galt nicht den rund 300 bis 400 Demonstranten, sondern Fußballfans. Begleitet von drei altertümlichen Treckern zog derweil die Anti-Fracking-Demo durch die Innenstadt. Teilnehmer riefen »Fracking-Stopp - hopp, hopp, hopp!«.

Beim Fracking werden unter hohem Druck Millionen Kubikmeter Süßwasser, das mit Chemikalien versetzt ist, Tausende Meter tief in gashaltige Gesteinsschichten gepresst, um den Rohstoff zu gewinnen. In Hamburg hat der Konzern ExxonMobil eine Aufsuchungserlaubnis erhalten, um in den ländlich geprägten Vier- und Marschlanden, einem Gemüseanbaugebiet, nach Erdgas zu suchen. Allerdings bedeutet eine Aufsuchungsgenehmigung noch keine Erlaubnis zum Fracking. Vielmehr dürfen die Erdgassucher Unterlagen früherer Bohrungen sichten. Allerdings räumt das deutsche Bergrecht, das noch aus dem Kaiserreich und der Nazizeit stammt, den Firmen weitgehende Rechte ein, auf Bodenschätze zuzugreifen.

»Hände weg von unserem Trinkwasser«, forderte Ernst Heilmann, DGB-Vorsitzender von Bergedorf. 30 Prozent des Hamburger Trinkwassers kämen aus Curslack, erklärte Heilmann. Der Ort liegt im Bereich der geplanten Bohrungen. »Niemand kennt die genaue Zusammensetzung des Giftcocktails, der ins Erdreich gelangt.« Kritiker fürchten die Vergiftung des Grundwassers. Zudem sei unklar, wo die kontaminierte Brühe gelagert werden soll. Heilmann sprach von »undichten Bohrungen, Leckagen und Erdbeben«, die entstehen könnten.

In ganz Norddeutschland beteiligten sich zahlreiche Menschen am Anti-Fracking-Tag. In Hamburg hatten die Bürgerinitiative »Fracking Freies Hamburg«, die Grünen, Die LINKE, die Piratenpartei, die Naturschutzorganisationen NABU und BUND sowie die Globalisierungskritiker von Attac zur Demo aufgerufen. In Niedersachsen beteiligten sich die Bürgerinitiativen »No Fracking« (Völkersen) und »Wesermarsch ohne Bohrtürme« (Intschede) an einer Fahrradsternfahrt nach Daverden an der Aller. Hier will die RWE Dea ein Erdgasfeld anbohren. Im niedersächsischen Quakenbrück und in Wagenfeld gab es Aktionen unter dem Motto: »Keine Stimme für Fracking - No Vote for Fracking«.

Vor der Zentrale des Energieunternehmens Wintershall in Kassel demonstrierten ebenfalls rund 200 Menschen. Die BASF-Tochter plane, Fracking in Niedersachsen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bayern einzusetzen, sagte ein Sprecher der Bürgerinitiative für ein lebenswertes Korbach. Wintershall dementierte die Vorwürfe: Weder in Bayern noch in Baden-Württemberg sei Fracking geplant, während in NRW ohne Tiefbohrungen geforscht werde. Bei Einhaltung deutscher Sicherheits- und Umweltstandards sei die Fördermethode sicher.

In Hamburg wird das Thema seit einigen Monaten verstärkt diskutiert. Anfang August hatten Grüne und LINKE ein »Fracking-Moratorium« bzw. einen »Erkundungsstopp« gefordert. Die CDU verlangte eine »verbindliche Umweltverträglichkeitsprüfung« und »das Verbot der Fracking-Technologie in Wasserschutzgebieten«. Die Fachsprecherin Umwelt der SPD-Fraktion, Monika Schaal, erklärte am 30. August: »Es dürfen keine Methoden zur Gewinnung von Erdgas eingesetzt werden, die die Trink- und Grundwasserqualität beeinträchtigen.« Die Crux dabei: Zwar hatte die Hamburger Umweltbehörde in ihrer Stellungnahme zum Exxon-Antrag naturschutz- und wasserschutzrechtliche Belange ins Feld geführt. Diese spielen bei der Genehmigung aber offenbar keine Rolle. Die Wirtschaftsbehörde hatte die Einwände mit Verweis auf das Bergrecht verworfen und dem Antrag des Öl- und Gasmultis stattgegeben.

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