»Batman kommt aus Ägypten«

Der Künstler Khaled Hafez bringt in der Galerie Naimah Schütter Berlin und Kairo zusammen

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 5 Min.
Khaled Hafez, 1963 in Kairo geboren, verschmilzt westliche Popkultur mit dem antiken Götterhimmel und wendet sich aus dieser diachronen Perspektive Ereignissen der Jetztzeit zu. Derzeit ist er in der Galerie Naimah Schütter mit der Ausstellung »Berlin Chromosome« präsent.

nd: Khaled Hafez, warum haben Sie Anubis, den altägyptischen Gott der Toten, zu Ihrem Erkunder der Wirklichkeit gewählt?
Hafez: Ich begann diese Art der Hybridisierung von Comic mit den antiken Göttern Mitte der 90er Jahre. Mir ging es darum, eine Metamorphose darzustellen und die Barrieren zwischen Ost und West und zwischen der Antike und der Gegenwart zu brechen. Wir leben doch in einer Zeit, da vieles zyklisch wiederkehrt, einer des Recyclings. Auch wir sind auf der Suche nach einem Gott, der fliegen und kickboxen kann, der Leute rettet und Probleme löst, der das Böse ausrottet und selbst unberührt bleibt. Im alten Ägypten erfand man die Götter dazu. Jeder Gott hatte die Funktion, ein ganz bestimmtes Übel zu beseitigen. Es gab immer die Sehnsucht nach Superhelden. Und man brauchte die Götter schließlich, um die Leute zum Arbeiten und zum Gestalten ihrer Wirklichkeit zu bringen.

Mir war bisher neu, dass Helden wie Batman große organisierende Funktionen für die Gesellschaft ausüben ...
Batman ist ein Symbol unserer gegenwärtigen Kultur. Er springt von Hochhäusern und tötet die Bösen. So wollen die USA doch in Syrien agieren: Einfliegen, die Schlechten ausmerzen und unbeschadet wieder nach Hause kommen. Dabei werden die sogenannten Kollateralschäden vergessen: unzählige Menschen, die sterben, wenn man solche Entscheidungen trifft. Um das auszublenden, bedient man sich kultureller Muster wie der des Superhelden. Man kann schon sagen, dass Batman vor Tausenden Jahren in Ägypten geboren wurde als Anubis, dann über das Mittelmeer nach Asien und Europa gelangte und jetzt aus Amerika wieder mit den gleichen Funktionen zurückkommt.

Sind sich Anubis und Batman tatsächlich so ähnlich?
Schauen Sie sie doch an: Ein nackter, muskulöser Oberkörper, dieser Aufsatz auf dem Kopf. Vom Profil wie von vorn sehen sie fast gleich aus.

Sie haben Anubis und auch Batman jetzt durch Berlin geschickt. Warum?
Ich bin seit 1985 immer wieder in Deutschland. Ich hatte leider nicht das Glück, die DDR zu besuchen.

Das Glück, die DDR zu besuchen?
Wir haben uns damals immer mit Farben, Pinseln und Zeichenkohle aus der DDR und der CSSR versorgt. Das war das beste Material, wie ein Paradies für uns. Und dann gab es noch die Kameras, ingenieurtechnisch ganz besonders und für uns bezahlbar. Als ich 2007 dann nach Berlin kam, war ich überrascht, wie kosmopolitisch und gleichzeitig ruhig die Stadt war. Man konnte hier im Café sitzen und arbeiten. In Kairo geht das wegen des Lärms, des Verkehrs und auch der vielen Demonstrationen nicht mehr. Berlin und Kairo habe ich jetzt in den Arbeiten zusammenbringen wollen.

Auffällig sind die Skulpturen von Arno Breker vor dem Olympiastadion. Warum haben Sie sie ausgewählt als Berliner Zeichen?
Es sind einfach brillante Arbeiten, schlecht ausgeführt, okay, aber man sieht die Inspiration an Rodin. Was ich an der Gestaltung des Olympiageländes mag, ist, dass hier erhalten blieb, was aus einer bestimmten Zeit, von einem bestimmten Geist stammte. Es ist eine Schicht, die sichtbar geblieben ist. Ägypten besteht meiner Ansicht nach auch aus vielen historischen Schichten. Es gab das antike Ägypten, das arabisch-islamische. Die Franzosen, die Briten und die Ottomanen kamen. Unsere Mamelucken stammten aus Albanien. Aus all diesen Schichten ist Ägypten gemacht und wir heutigen Ägypter sind die oberste Schicht, quasi das Boot, das auf diesem Strom schwimmt. Insofern mag ich es, wenn Zeichen des Alten erhalten bleiben. Berlin und Kairo sind zudem durch die vielen Objekte der Altertumswissenschaften verbunden, die sich hier befinden.

Sehen Sie sie nicht als Kulturgüter an, die lieber wieder an den Originalort zurückkehren sollten?
Nein, gar nicht. Ich weiß, dass eine Denkschule existiert, die alles wieder zurückhaben möchte. Aber das ist Unsinn. Zum einen gab es Vereinbarungen bei den jeweiligen Ausgrabungen, dass ein Teil der Fundstücke zur Finanzierung ins Ausland geht. Und zum anderen bringt es Ägypten ganz viel, wenn die internationalen Museen die ganze Bandbreite der altägyptischen Kunst und Kultur zeigen können. Das inspiriert Wissenschaftler zu immer neuen Ideen. Sie können ja nicht alle immer selbst in Ägypten forschen. Und es ist ein Impuls für den Tourismus. Das ist beides gut für Ägypten.

Wie geht es Ihnen eigentlich mit der doppelten Funktion als Botschaftenüberbringer und Künstler? Künstler, die aus den Regionen der »Arabellion« kommen, werden doch häufig zuerst nach den neuesten Nachrichten aus dem Lande befragt. Bedauern Sie, dass der Künstler und seine Kunst da in den Hintergrund rücken?
Gar nicht. Ich bin Künstler und Mensch - einer, der zur Wahl und auf Demonstrationen geht, der aber auch erschossen werden kann. Man kann das eine nicht vom anderen trennen.

Wie blicken Sie auf die politische Zukunft Ihres Landes?
Ich bin sehr optimistisch. Es ist traurig, was passiert ist, wieviel Blut geflossen ist. Aber ich muss sagen, dass ich zu den vielen Millionen gehört habe, die das Militär gerufen haben. Es war kein Staatsstreich, wie es im Westen immer geschrieben steht. Jetzt kann ein Rechtsstaat aufgebaut werden, der alle schützt: Christen, Muslime und Liberale, und der ein Staat ist, der keinem vorschreibt, wie er zu leben hat, und der nicht 1500 Jahre in der Geschichte zurückgeht. Ich bin voller Hoffnung, dass das jetzt gelingen kann.

Fragen: Tom Mustroph

Galerie Naimah Schütter, Auguststraße 62, bis 19. Oktober, Di-Fr 12-19 Uhr, Sa 12-18 Uhr

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