Flehen nach Anerkennung

Volleyballerinnen tanzen ihre Tränen nach der EM-Finalniederlage weg und fordern mehr mediale Präsenz

  • Oliver Händler
  • Lesedauer: 4 Min.
Die deutschen Volleyballspielerinnen haben bei der EM im eigenen Land viel Werbung für ihren Sport gemacht, auch wenn ihnen die Meisterkrönung letztlich verwehrt blieb. Nun hoffen sie auf andauernde mediale Anerkennung. Doch ohne Events wie diese EM bleibt das wohl ein unerfüllter Wunsch.

Es war schon ein seltsames Bild, das sich den Berliner Volleyballfans da bot. Russlands Spielerinnen standen wie angewurzelt nur so da und warteten geduldig auf die Siegerehrung, während die deutschen tanzten. Man hätte denken können, die Auswahl des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV) hätte soeben den Europameistertitel gewonnen, doch das war jenen nun bewegungsarmen Russinnen vorbehalten gewesen. Mit 3:1 hatten sie auch den Gastgeberinnen in der Max-Schmeling-Halle letztlich keine Chance gelassen, doch das DVV-Team hatte damit offenbar kein Problem mehr.
Dabei waren fünf Minuten zuvor noch Tränen über die Wangen von Deutschlands Kapitänin Margareta Kozuch, Zuspielerin Kathleen Weiß und dem 19-jährigen »Teamküken« Jennifer Geerties gerollt. Der Traum hieß Gold, er wurde im Mai gar als »Projekt Gold« öffentlichkeitswirksam ausgerufen. Nun war das Projekt gescheitert, und doch dauerte es nur wenige Augenblicke vom Weinen bis zum Tanzen.

»Wir standen zusammen und die Auswechselspielerinnen haben irgendwie genau die richtigen tollen Worte gefunden«, sagte Außenangreiferin Heike Beier. »Wir haben ein geiles Turnier gespielt und alles gegeben. Jede Einzelne hat seit Mai in jedem Training viel dafür geopfert, um hier so gut zu sein. Das hat sich ausgezahlt. Jetzt haben wir Silber um den Hals hängen.«

Auch Mittelblockerin Corina Ssuschke-Voigt konnte schnell wieder Positives nach der Finalniederlage ausmachen: »Die Freude überwiegt bei mir jetzt. Die ersten drei Minuten war ich richtig traurig. Aber man muss zugeben, dass die Russen heute sehr ›russisch‹ gespielt haben. Sie waren so hoch! Und sie haben verdient gewonnen, weil sie besser gespielt haben. Unser Projekt hieß zwar ›Gold‹, aber wir haben heute trotzdem gewonnen. Wir haben Silber gewonnen. Und dann feiert man einfach drauflos.«

Ohnehin sei das Wichtigste an dieser Europameisterschaft nicht der Titel an deren Ende gewesen. »Das Projekt war auch, Volleyball in die Medien zu bringen, ihn endlich viel bekannter zu machen. Und schauen Sie hin! Alle Sender sind hier. Sogar RTL ist da – ist doch der Hammer. Die haben uns vorher nie beachtet«, freute sich Ssuschke-Voigt. »Was wir als Mannschaft hier erreicht haben mit diesen Zuschauern ist der Wahnsinn. Das habe ich noch nie so erlebt. Darauf bin ich ultrastolz. Das war Mission, Nummer eins.«

Auch wenn in naher Zukunft kein weiteres Turnier dieser Größenordnung in Deutschland ausgetragen wird, wünscht sich die 30-jährige gebürtige Sächsin, dass diese Blase nicht gleich wieder platzen wird. »Ich erhoffe mir, dass wir jetzt endlich mehr im Fernsehen vorkommen, dass viel mehr über uns geschrieben wird und dass wir einfach viel mehr beachtet werden. Das hier war jetzt ein ziemlich guter Anfang.«

Auch Heike Beier glaubt, mit der Europameisterschaft 2013 einen wichtigen medialen Schritt nach vorn gemacht zu haben. »Wir wussten schon aus der Bundesliga, dass wir die Leute begeistern können, auch wenn es da nicht so viele sind. Heute haben wir gesehen, dass das auch bei mehr als 8000 Leuten klappt«, so die 29-Jährige, die in der kommenden Saison jedoch in der polnischen Liga für Bielsko-Biała spielen wird. »Und noch dazu hat Sport1 jedes unserer Spiele live übertragen. Das gab es auch noch nie. Ich bin davon überzeugt, dass wir gute Werbung für den Volleyball gemacht haben.«

An der Nachhaltigkeit dieser Reklame ist jedoch zu zweifeln. Allein sechs Vizeeuropameisterinnen stehen für die bald beginnende neue Saison bereits bei ausländischen Klubs in den lukrativeren Ligen von Polen über Aserbaidschan und die Türkei bis nach Italien unter Vertrag. Die noch vereinslosen Ssuschke-Voigt und Kozuch wird sich mit großer Sicherheit kein Bundesligaverein leisten können. Die womöglich gerade gewonnenen Zugpferde werden der Bundesliga im Werben um mehr Zuschauer und Medienpräsens also gleich wieder fehlen.

Und dass der Spartensender Sport1 nach der erfolgreichen EM nun auch Bundesligapartien übertragen wird, ist nicht bekannt, wohl auch nicht geplant. In Ismaning plant man weiter mit den Hand- und Basketballern sowie selbstverständlich König Männerfußball. Frauen müssen sich hinter Motorsport, Poker, Wrestling, Darts und Verarsche-Quiz anstellen und dürfen erst nachts unbekleidet über den Sender. Sogar die so erfolgreichen Fußballerinnen haben es mit ihrer viel besser besetzten Bundesliga noch nie ins Programm von Sport1 gebracht. Nicht mal nach der Heim-WM 2011, die noch um einiges größer war als diese Volleyball-EM.

Und so sah Mittelblockerin Christiane Fürst dieses Turnier nicht nur als Werbung für sich selbst, sondern für all jene Sportler, denen die verdiente mediale Anerkennung verwehrt bleibt. »Ich hoffe, dass die Menschen alle Randsportarten – nicht nur Volleyball – mehr wahrnehmen und mitfiebern. Wir sind die Nationalmannschaft. Wir repräsentieren dieses Land, und wir möchten in so einer großen Halle, vor so einer Kulisse spielen und sie begeistern. Dafür leben wir«, sagte Fürst, die dabei trotz der großen Worte eher flehend denn pathetisch klang.

Die Europameisterschaft 2013 in Deutschland und der Schweiz ging als Erfolg zu Ende. 133 000 Zuschauer kamen in die Hallen von Dresden, Schwerin, Zürich, Halle (Westfalen) und Berlin. Im Schnitt waren es knapp 3700 pro Partie. Sie wurden begeistert und begeisterten selbst mit Gänsehautstimmung. Es wurde geklatscht, gesungen, geschunkelt, gebrüllt. Volleyball als Event hat funktioniert. Irgendwie schade, dass Sport allein nicht mehr reicht.

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