DAX ist Wahl egal

Sabine Nuss über Folgen der Bundestagswahl auf die Wirtschaft

  • Lesedauer: 3 Min.

Eine Monatskolumnistin hat es schwer, über tagesaktuelle Ereignisse zu schreiben. Beispiel: Was schreibt man in der Woche vor einer Bundestagswahl über eine Bundestagswahl, wenn die Kolumne erst am Tag nach der Bundestagswahl erscheint? Was hätte man vor einer Woche mit ziemlicher Sicherheit prognostizieren können, ohne dass es heute hinfällig ist, knapp daneben oder ganz falsch? Zumal es heißt, dass die Wahlumfragen in den Wochen davor sowieso nicht besonders aussagekräftig seien, also alles ganz anders hätte kommen können.

Nicht alles ganz anders natürlich - so war es ziemlich sicher, dass die FDP die zehn Prozent nicht über-, die CDU sie aber sicher nicht unterschreiten würde. Mit solch unwahrscheinlichen Wahlergebnissen hätte man allenfalls ein lustiges »Was-wäre-wenn«-Spiel machen können. Aber ernsthaft ein paar Tage vor der Wahl eine Wahl zu kommentieren, deren Ergebnisse erst heute in den Zeitungen stehen, das geht nicht.

Anders ist es bei der Frage, welchen Einfluss die Bundestagswahl auf den deutschen Aktienmarkt hat bzw. heute gehabt haben wird. Will man einer Bankstudie Glauben schenken: keinen. Analysten der DekaBank haben die Aktienmarktentwicklung in den Tagen vor und nach Bundestagswahlen seit 1959 untersucht und festgestellt, dass der Markt in dieser Zeit zwar »grundsätzlich zur Schwäche« neigt. Allerdings sei das unabhängig davon, ob es am Wahltag zu einem Regierungswechsel komme oder nicht.

Es seien eher die »für nationale Wirtschaftspolitik exogenen« Faktoren, die Einfluss auf den DAX haben, als da waren die Ölpreiskrise in den 1970er Jahren, das Platzen der Technologieblase zu Beginn der 2000er, sowie die Anschläge vom 11. September 2001 oder die deutsche Wiedervereinigung.

Natürlich: Abgesehen von solchen global wirkenden Einflüssen reagieren Aktienmärkte durchaus auf einzelne nationale Entscheidungen der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Längerfristig »kursbewegend« waren beispielsweise die Deregulierungswelle im Finanzsektor seit den 1980ern oder die Agenda 2010 unter der Regierung Schröder. Beides trug - Überraschung - zu einer relativ guten Aktienmarktentwicklung in Deutschland bei. Auch kurzfristig gab es hie und da spürbare Bewegungen der DAX-Kurve. Als beispielsweise 1987 die Einführung einer Quellensteuer auf Zinserträge vom damaligen CDU-Finanzminister ins Spiel gebracht wurde, verlor der DAX sofort.

Also, so die Bilanz: »Keine Regierungspartei kann sich rühmen, einen systematisch besseren Einfluss auf die Aktienmärkte auszuüben als die politischen Konkurrenten.« Denn - so die Bankanalysten weiter - »wer hätte schon gedacht, dass eine sozialdemokratische Regierung ein Maßnahmenpaket wie die Agenda 2010 auflegt oder aber eine konservative Regierung über Nacht den Atomausstieg umsetzt«.

Den Grund für die Indifferenz der Märkte gegenüber verschiedenen Regierungskonstellationen sehen die Analysten neben der Komplexität der Einflüsse darin, dass sich die großen Parteien in der sozialen und marktwirtschaftlichen Ausrichtung recht einig seien. Unterschiede zeigten sich nur im Kleinen. Insgesamt sei das Vertrauen der Märkte auf die grundsätzliche Fortführung dieses pragmatischen Ansatzes tief ausgeprägt. Im Klartext: CDU, SPD, FDP, Grüne - alles ziemlich dasselbe.

Liebe Leserinnen und Leser, das kann ich also beruhigt behaupten: Die Entwicklung des Deutschen Aktienindexes bleibt heute, am Tag nach der Wahl, allenfalls leicht geschwächt, sonst aber ruhig.

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