Absage an Große Koalition in der SPD immer breiter

SPD-Spitze: »Alles offenhalten, ohne in Schockstarre zu verfallen« / Parteilinke: Die Mitglieder müssen entscheiden / NRW-Fraktionsvize: Sonst fällt die Partei auseinander

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin (nd). In der SPD geht die Debatte über die politische Zukunft der Partei nach der Bundestagswahl weiter. Während immer mehr Basisverbände und Gliederungen Beschlüsse fassen, in denen sie sich gegen die Bildung einer Großen Koalition mit der Union von Kanzlerin Angela Merkel aussprechen, müht sich die Parteispitze, diese Option nicht durch frühe Festlegungen auszuschließen. Nicht nur bei den Sozialdemokraten wird deshalb mit einer langen Diskussion gerechnet.

Wie die »Leipziger Volkszeitung« berichtet, habe sich die SPD-Spitze darauf verständigt, bis zum Wahlparteitag der SPD Mitte November in Leipzig »alles offen zu halten, ohne aber in Schockstarre zu verfallen«. Einerseits soll so der Verhandlungsdruck gegenüber der Union erhöht werden, schreibt das Blatt. Außerdem wird die Parteiführung der Sozialdemokraten nicht ohne eine Beteiligung der Basis eine Entscheidung über einen Koalitionseintritt treffen können. »Das Zeitfenster bis dahin werde voll ausgeschöpft«, hieß es.

Laut Grundgesetz muss der neue Bundestag bis 22. Oktober erstmals zusammenkommen. Dann »endigt in jedem Falle« auch die Amtszeit der Kanzlerin und ihrer Minister. In Artikel 69 des Grundgesetzes ist aber die Möglichkeit vorgesehen, dass der Bundespräsident die Regierung verpflichtet, »die Geschäfte bis zur Ernennung seines Nachfolgers weiterzuführen«. Dies könnte in dem Fall möglich werden, dass die CSU ihre Absage an eine Koalition mit den Grünen aufrecht erhält und eine mit der SPD bis dahin nicht zusatnde kommt.

Derweil hat der Fraktionsvize der nordrhein-westfälischen SPD, Axel Schäfer, einen Beschluss des Parteikonvents am Freitag gefordert, in dem festgelegt werden solle, »dass eine Regierungsbeteiligung nur nach einem positiven Votum der Parteibasis durch einen Mitgliederentscheid möglich ist«, wie die »Rheinischen Post« berichtet. Andernfalls, so Schäfer, drohe ein Auseinanderfallen der SPD.

Zuvor hatten bereits mehrere Landesverbände der SPD für einen Mitgliederentscheid plädiert, falls sich die Frage einer Großen Koalition stelle. Der bayerische SPD-Vorsitzende Florian Pronold wurde von der »Bild«-Zeitung mit den Worten zitiert, »wir brauchen über einen Koalitionsvertrag zur großen Koalition zwingend eine Mitgliederbefragung«. Der alte und neue SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier äußerte sich dagegen zurückhaltend.

Die Sprecherin des linken SPD-Flügels, die SPD-Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis, sagte, »die endgültige Entscheidung« über einen Regierungseintritt, müsste »sowieso über einen Mitgliederentscheid laufen. Dann wird man sehen, was die Parteimitglieder dann dazu sagen«.

Dort, an der sozialdemokratischen Basis, wächst unterdessen die Zahl der Beschlüsse gegen eine Große Koalition. Unter der Überschrift »Große Koalition? Nein Danke!« entsteht zurzeit im Internet eine »Aufstellung aktueller Beschlüsse bis zum Parteikonvent am 27.09.« Auf der Liste standen am Mittwochmorgen über 70 Gliederungen der SPD, die sich mehr oder weniger deutlich gegen eine Große Koalition aussprachen. Am Samstag trifft sich das Mitgliederforum der SPD-Linkenorganisation DL21 in Berlin. Thema: »Wahlnachlese – Die SPD nach der Bundestagswahl 2013«.

In der SPD-Linken wird allerdings auch die Frage diskutiert, welche Folgen es hätte, wenn weder eine Große Koalition noch Schwarz-Grün zustande kommt. Eine rot-rot-grüne Koalition wäre »für mich kein Wortbruch«, sagte die Parteilinke Mattheis. Auch andere SPD-Politiker hatten für größere Offenheit gegenüber der Linken plädiert. Ein Regierungsbündnis bereits nach dieser Wahl gilt aber als kaum wahrscheinlich.

Umso aufmerksamer werden Äußerungen über mögliche Neuwahlen registriert. Die SPD-Linke Mattheis sagte der »Leipziger Volkszeitung«, ihrer Ansicht nach würden vorgezogene Neuwahlen, als Ergebnis der unklaren Mehrheitslage im neugewählten Bundestag, der CDU-Vorsitzenden und Bundeskanzlerin angekreidet. »Das würde nicht in erster Linie die SPD betreffen.«

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