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Verband beklagt dramatische Wohnungsnot

Wohnungslosenhilfe befürchtet fast 400.000 Menschen ohne Obdach bis 2016

  • Lesedauer: 3 Min.

Dortmund (epd/nd). Die Wohnungslosenhilfe warnt vor einem drastischen Anstieg der Obdachlosen-Zahlen. Seit 2010 sei die Zahl der Menschen ohne Wohnung in Deutschland um 15 Prozent auf 284.000 gewachsen, sagte der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, Winfried Uhrig, am Mittwoch zum Auftakt der Bundestagung des Verbandes in Dortmund. Bis 2016 befürchtet er noch eine dramatischere Zunahme um weitere 30 Prozent auf dann 380.000 Menschen ohne Obdach.

Dazu kämen 130.000 Haushalte, die unmittelbar vom Wohnungsverlust bedroht seien, sowie drei Millionen Menschen, die in unzumutbaren, viel zu kleinen Wohnungen lebten. »Es muss dringend etwas geschehen«, betonte Uhrig. Die künftige Bundesregierung müsse eine »Nationale Strategie gegen Wohnungsnot und Armut« entwickeln.

Wer seine Wohnung verloren habe, werde in vielen Lebensbereichen ausgegrenzt, sagte der Chef des Dachverbandes der öffentlichen und freien Träger der Wohnungslosenhilfe weiter. In Zeiten der Wohnungsnot gebe es kaum Chancen, eine neue Unterkunft zu finden, Wohnungslosen sei der Zugang zum Arbeitsmarkt versperrt und die Gesundheitsversorgung sei für sie nicht bezahlbar. »Und wer erst mal auf der Straße ist, muss Gewalt und weitere Diskriminierung fürchten.«

Mangel an bezahlbarem Wohnraum

Das Hauptproblem sei der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, sagte der Geschäftsführer des Verbandes, Thomas Specht. Vor allem in Ballungsräumen fehlten kleine, günstige Wohnungen für Menschen mit niedrigem Einkommen. Deshalb fordert die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe eine Fortführung und deutliche Aufstockung der Förderung des sozialen Wohnungsbaus.

»Mit großer Sorge« beobachte er die zunehmende Zahl junger Wohnungsloser, sagte Uhrig. Inzwischen sei jeder fünfte Mensch ohne Obdach unter 25 Jahre alt. Mitverantwortlich dafür seien unter anderem die Sanktionsmöglichkeiten in der Hartz-IV-Gesetzgebung, die nicht nur die Kürzung von Regelleistungen, sondern auch den Stopp von Mietzahlungen vorsähen. Diese Regelungen führten direkt in die Obdachlosigkeit und müssten sofort abgeschafft werden.

An die Länder appellierte der Dachverband der Wohnungslosenhilfe, Standards für die Notversorgung zu formulieren. »Wohnungslose Menschen dürfen nicht in elenden Notunterkünften ausgegrenzt und dort vergessen werden«, mahnte Uhrig. Um den häufig miserablen Gesundheitszustand von Menschen ohne Obdach zu verbessern, müssten Arbeitslosengeld-II- und Sozialhilfebezieher wieder von Zuzahlungen befreit werden. Notwendig seien auch Härtefallregelungen, damit arme Menschen nicht verschreibungspflichtige Medikamente kaufen könnten.

Rund 1200 Beratungsstellen

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe ist die Dachorganisation der Wohnungslosenhilfe freier und öffentlicher Träger in Deutschland. Dazu zählen rund 1.200 Beratungsstellen, Angebote betreuten Wohnens und Heime, spezielle Projekte für junge Wohnungslose und betroffene Frauen, medizinische Hilfen sowie Betriebe zur beruflichen Qualifizierung.

Auf der Bundestagung diskutieren bis Freitag mehr als 500 Sozialarbeiter, Wissenschaftler, Politiker und Vertreter aus Verwaltungen und der Immobilienwirtschaft über konkrete Maßnahmen gegen Wohnungsnot und Armut. Themen sind die Situation junger Erwachsene in Wohnungsnot, der spezielle Hilfebedarf älterer und pflegebedürftiger Wohnungsloser und die Probleme von Migranten ohne Obdach.

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