Versuch der Versuchung
Velten Schäfer über Schwierigkeiten mit Rot-Rot-Grün
Was genau ist es eigentlich, das SPD und Grüne daran hindert, ihre Wahlversprechen umzusetzen? Sozialdemokratische und Ökogranden haben auf diese Frage stets geantwortet, es seien die Linkspartei-Haltungen zum Kriegführen oder »Griechenland-Retten«, die einen gesetzlichen Mindestlohn und die Bürgerversicherung verhinderten: Weil nicht »politikfähig« sei, wer keinen Krieg führen oder den Euro-Süden zum Schwellenland schrumpfen wolle, müsse man auf Partner zurückgreifen, mit denen weder das eine noch das andere geht.
Mit ihrer Mindestlohn-Versuchung dreht die Linkspartei-Chefin Katja Kipping den Spieß nun um: In der sich womöglich abzeichnenden Phase eines Interregnums, einem Zeitfenster also, in dem die Volksvertreter ganz einfach das Volk und nicht die Kompromisse irgendeiner Koalition vertreten könnten, ließen sich Nägel mit Köpfen machen - ohne jeden Seitenblick auf NATO- oder EU-Politik. Immerhin hat eine Mehrheit für Parteien gestimmt, die eine wasserdichte »Lohnuntergrenze« wünschen und ein Ende der Zweiklassenmedizin.
Vermutlich wird es einstweilen trotzdem beim Versuch bleiben. Zumindest der SPD-Wirtschaftspolitiker Hubertus Heil winkt ab: Der Mindestlohn sei ihm zu wichtig für taktische Spielchen. Zu wichtig, um ihn einfach einzuführen? Das ist eine wirklich jämmerliche Antwort, die selbst vor Parteitaktik und Medienspielchen nur so trieft. Was der Wähler womöglich registriert - und sei es mit dem Blick auf Neuwahlen.
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