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Die Woche der Klarheit

Vor der zweiten Sondierungsrunde von Union und SPD zeichnete sich eine Annäherung beim Mindestlohn ab

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Alles deutet darauf hin, dass Union und SPD auf dem Weg in eine Große Koalition sind. Auch in der Arbeitsmarktpolitik dürften sich die Parteien nun näher kommen.

Am gestrigen Montag bereiteten sich am späten Nachmittag die 21 Unterhändler von Union und SPD auf eine mehrstündige und intensive Debatte vor. Es wurde erwartet, dass die zweite Sondierungsrunde zwischen den Parteien bis zum späten Abend dauern könnte. Konservative und Sozialdemokraten wollten über die Europa-, Finanz-, Lohn- und Arbeitsmarktpolitik diskutieren. Bereits vor den Verhandlungen deutete sich eine Annäherung beim Streit um die Einführung eines Mindestlohns an. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sprach sich dafür aus, künftige Mindestlöhne von einer regierungsunabhängigen Kommission festlegen zu lassen. Auch CDU-Politiker zeigten sich offen für ein Kommissionsmodell. Im Wahlkampf hatten die Konservativen lediglich für branchenbezogene Lohnuntergrenzen plädiert. Laut Nahles müssten der Kommission Arbeitgeber, Gewerkschaften und unabhängige Wissenschaftler angehören. Allerdings soll nach dem Willen der SPD in einem ersten Schritt per Bundestagsbeschluss ein Mindestlohn von 8,50 Euro festgelegt werden. Die Kommission würde regelmäßig über mögliche Erhöhungen des Mindestlohns entscheiden. Bei der Begrenzung von Leih- und Zeitarbeit sowie bei der Einführung einer Solidarrente dürfte die Union ebenfalls zu Kompromissen bereit sein.

Ihre Steuerforderungen werden die Sozialdemokraten gegen den Widerstand der Union wohl nicht durchsetzen. Die SPD hatte im Wahlkampf angekündigt, die Einkommensteuer sowie die Erbschaft- und Abgeltungsteuer erhöhen und eine Vermögensteuer einführen zu wollen. Die zusätzlichen Einnahmen sollten vor allem in Bildung und Infrastruktur fließen. »Die Steuerpolitik ist für uns zentral«, sagte Nahles. Aber ihre Partei werde sich auch Finanzierungsvorschläge der Union anhören. Diese lehnt Steuererhöhungen ab.

Ende der Woche dürfte Klarheit herrschen, wer mit wem über eine Koalition verhandelt. Die CSU-Spitze will bis Donnerstag beschließen, ob sie lieber mit der SPD oder den Grünen Koalitionsverhandlungen aufnimmt. Dann dürfte auch eine Entscheidung der Schwesterpartei CDU fallen. Eine dritte Sondierungsrunde mit SPD und Grünen ist aus Sicht der Union ebenfalls möglich. Ein Parteikonvent der SPD soll am Sonntag die Aufnahme von Koalitionsgesprächen mit den Konservativen absegnen.

Am heutigen Dienstagabend wird sich die Union mit den Grünen zu einer zweiten Sondierungsrunde treffen. Die Verhandlungsgruppe der Ökopartei will spätestens am Mittwoch entscheiden, ob sie dem Bundesparteitag der Grünen am Wochenende in Berlin die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen empfehlen wird. Viele Spitzenpolitiker der Grünen äußerten sich vor dem Treffen mit der Union skeptisch. »In dem ersten Gespräch am Donnerstag hat es keine so große Annäherung gegeben, dass Schwarz-Grün wahrscheinlich erscheint«, so der Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, Jürgen Trittin.

Grüne vom eher linken Flügel der Partei forderten unterdessen eine Öffnung zur LINKEN. Sie wollen beim Parteitag per eigenem Antrag für rot-rot-grüne Sondierungen eintreten. Parteiratsmitglied Gesine Agena sprach von »großen Schnittmengen« zwischen den drei Parteien. »Es steht auch jetzt noch an, miteinander zu sprechen«, forderte Rasmus Andresen, Landtagsabgeordneter aus Schleswig-Holstein und Mitglied im Parteirat der Grünen.

LINKE-Chef Bernd Riexinger sieht die Grünen im Koalitionspoker aus dem Rennen. Die Große Koalition zeichne sich ab. »Große Koalition ist großer Mist«, sagte Riexinger, der erneut auf strukturelle Mehrheiten im Bundestag hinwies, mit denen es möglich wäre, zentrale Aussagen im SPD-Wahlprogramm umzusetzen - Mindestlohn, mehr Rentengerechtigkeit, Reichenbesteuerung.

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