Großwindräder starteten mit Pannen

Testanlage »Growian« ging vor 30 Jahren in Betrieb. Von Sebastian Bronst

  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Rotor mit einem Durchmesser von mehr als hundert Metern, ein Maschinenhaus von 340 Tonnen Gewicht: Die Ausmaße von »Growian« waren gewaltig. Die riesige Versuchs-Windkraftanlage im schleswig-holsteinischen Kaiser-Wilhelm-Koog sollte ein Demonstrationsprojekt werden für alternative Möglichkeiten der Stromerzeugung und die Kompetenz der deutschen Industrie. Doch der vor 30 Jahren offiziell gestartete Großversuch von Bundesforschungsministerium und Großkonzernen scheiterte grandios. Zum Abgesang auf die Windkraft insgesamt aber wurde er nicht. Die Zukunft gehörte fürs erste deutlich kleineren Anlagen.

Anfang der 1980er Jahre aber waren die Verantwortlichen von ihrer Idee noch überzeugt. Die damalige rot-gelbe Regierung in Bonn wischte alle Zweifel an dem Projekt beiseite. »Mit dem Projekt Growian wird zwar technisches Neuland betreten, ein ungerechtfertigt hohes technisches Risiko ist damit aber nicht verbunden«, erklärte das Bundesforschungsministerium während der Vorbereitungsphase Anfang 1982 in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Union.

Damals galten Wind und Sonne zumindest für kurze Zeit schon einmal als rettender Ausweg. Die Ölkrisen der 1970er Jahre hatten die Industrieländer erschüttert und lösten hektische Versuche aus, die riskante Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und Energieimporten zu reduzieren. Der große Gewinner der Debatten war die Atomkraft. Doch das Bundesforschungsministerium wollte auch die Chancen der Windenergienutzung ausloten.

Das Ergebnis dieser Bemühungen war die am 17. Oktober 1983 in dem Koog an der Nordseeküste bei Brunsbüttel in Betrieb genommene »Große Windenergieanlage«, kurz »Growian«. Realisiert wurde der Gigant, der es auf eine Leistung von drei Megawatt bringen sollte, von führenden Konzernen. Hauptkonstrukteur war MAN, als Betreiber für das Projekt fungierten die Stromversorger RWE, HEW und Schleswag.

In Deutschland lagen bis dahin nur Erfahrungen mit Rotoren von etwas über 30 Metern Durchmesser vor. Windkraftpionier Dänemark setzte auf das Konzept zahlreicher kleiner, aber verlässlicher Turbinen, die in Gruppen oder Parks gebündelt wurden. Kritiker geißelten denn auch die »Projektgigantomanie« der Bundesregierung.

Tatsächlich wurde »Growian« ein Reinfall. Die Materialien waren den gewaltigen Kräften, die auf die Riesenanlage wirkten, nicht gewachsen. Bauteile brachen, der Rotor stand meist still. »Die Aufgaben waren nach dem damaligen Kenntnisstand effektiv unlösbar. So als hätte man Otto Lilienthal nach seinen ersten Flugversuchen mit dem Bau eines Überschalljets beauftragt«, kritisierte »Die Zeit« 1985. In jenem Jahr fiel die Entscheidung, »Growian« stillzulegen und abzuwracken.

Im Windschatten des abgeschalteten »Growian« öffneten Schleswag und HEW, das Land Schleswig-Holstein und umliegende Kommunen 1987 den ersten Forschungs-Windpark in Deutschland. In ihm erprobten sie rund 30 kleinere Anlagen mit Rotordurchmessern von zunächst nur zehn bis 15 Metern. Dieser »Windenergiepark Westküste« nahe des alten »Growian«-Fundaments existiert bis heute und gilt als eine Keimzelle der kommerziellen Windkraftnutzung in Deutschland.

Großanlagen wie »Growian« wurden erst in den vergangenen Jahren wirklich marktreif. AFP

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal