Bankenstress im Test

EZB überprüft 124 Kreditinstitute in der Eurozone - und nimmt es dabei nicht gar zu streng

Die künftige Bankenaufsicht der Eurozone will sich vor dem Start einen Überblick über die Lage der Großbanken verschaffen. Bei diesen dürfte einiges im Argen liegen.

Von »Stresstest« will die Europäische Zentralbank (EZB) nicht so deutlich sprechen. Sie greift lieber zu einem eher neutralen, technischen Begriff: »comprehensive assessment« (umfassende Bewertung). Einer solchen werden in den kommenden Monaten insgesamt 124 Banken in den Ländern der Eurozone unterzogen, wie die EZB am Mittwoch in Frankfurt am Main ankündigte. Die Überprüfung solle Anfang November 2014 abgeschlossen sein, wenn die neue EU-Bankenaufsicht innerhalb der Zentralbank ihre Arbeit aufnimmt. »Eine einheitliche umfassende Bewertung ist ein wichtiger Schritt nach vorn für Europa und für die Zukunft der Wirtschaft des Euro-Währungsgebiets«, erklärte Zentralbankchef Mario Draghi. Transparenz sei hierbei das »oberste Ziel«.

In Deutschland werden nach den Angaben der Bundesbank 24 Kreditinstitute unter die Lupe genommen. Dazu gehören die großen Privatbanken, die Landesbanken sowie die Spitzeninstitute des Sparkassen- und des Genossenschaftssektors. Gemessen an der Bilanzsumme deckt die Überprüfung rund 65 Prozent des deutschen Bankensektors ab, während es in der Eurozone insgesamt deutlich mehr sind - nämlich 85 Prozent. Der Grund für den geringen Anteil liegt darin, dass es hier sehr viele kleine Sparkassen und Genossenschaftsbanken gibt, die nicht unter die künftige EU-Aufsicht fallen.

Die umfassende Bewertung besteht laut EZB aus drei Teilen: Zunächst werden Hauptrisiken wie Liquidität, Verschuldungsgrad und Refinanzierung geprüft. Danach wird in die Bücher geguckt, ob die Aktiva - also vor allem Kredite und Wertpapiere - dort adäquat bewertet sind und eine angemessene Risikovorsorge in Form von Rückstellungen getroffen ist. Zuguterletzt wird doch ein Stresstest durchgeführt, mit dem die Widerstandsfähigkeit bei verschiedenen Problemszenarien untersucht wird. Grundlage der Bewertung wird eine Eigenkapitalquote von acht Prozent hartem Kernkapital in Relation zur gesamten Bilanzsumme sein. Im Schlussbericht sollen neben den Ergebnissen auch etwaige Empfehlungen veröffentlicht werden. Dabei dürfte es sich vor allem um die notwendige Aufstockung unzureichender Kapitalpuffer für Notlagen handeln.

Europaweite Bankenstresstests hatte es bereits 2011 und 2012 gegeben. Damals konnte die Aufsichtsbehörde EBA indes nur kleinere Lücken bei wenigen Geldhäusern entdecken, weshalb die Aussagekraft der Überprüfung angezweifelt wurde. Das Ergebnis stand nämlich im Gegensatz zur Entwicklung in immer mehr Ländern, wo Banken vor der Pleite standen und mit Milliardensummen gerettet wurden. Dank der geldpolitischen Maßnahmen der EZB hat sich die Lage mittlerweile vor allem in Südeuropa zwar deutlich entspannt. Dennoch steht aktuell das Euroland Slowenien wegen riesiger Mengen fauler Kredite in Bankbilanzen vor einem Hilfsantrag an den Euro-Rettungsfonds. Auch in Deutschland droht in Folge platzender Schiffsfinanzierungen neuerlicher Stress bei zahlreichen Banken.

Die EBA hatte bei ihren Tests ganz offensichtlich zu laxe Kriterien angelegt, indem sie etwa das Szenario eines Auseinanderbrechens der Eurozone und dessen mögliche Folgen für die Staatspapiere in Bankenbesitz nicht durchrechnete. Außerdem sorgten extrem unterschiedliche nationale Bilanzierungsvorschriften dafür, dass die Ergebnisse kaum vergleichbar waren.

Dieses Problem gibt es nicht mehr, denn die EZB legt einheitliche Standards zugrunde. Dennoch steht die EZB vor einem Zwiespalt: Einerseits muss sie die Risiken bei Geldhäusern kennen, um nicht unvorbereitet mit der Aufsicht zu starten. Andererseits hat sie kein Interesse daran, allzu unrealistische Krisenszenarien durchzurechnen, weil zahlreiche Banken dann Auflagen zur Kapitalbeschaffung bekommen, die sie nicht erfüllen können. Dass es die EZB lieber etwas laxer angehen möchte, zeigt die Aussage von Mario Draghi: »Wir gehen davon aus, dass durch die Bewertung das Vertrauen des privaten Sektors in die Solidität der Banken des Eurogebiets und in die Qualität ihrer Bilanzen gestärkt wird.«

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