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Der Sicherheits-Seiltänzer

Thomas Oppermann wäre fachlich der bessere Friedrich - und so ein größeres Problem

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann ist so präsent wie verlässlich in seiner SPD. Doch selbst wenn er optisch in der ersten Reihe steht, merkt jeder, dass das nicht sein Platz ist. In einer schwarz-roten Koalition könnte sich das ändern. Er scheint wie geschaffen dafür.

Was schreibt man über Thomas Oppermann? Das ist so ein Typ Politiker, der gerne übers Drahtseil balanciert - wenn es flach auf dem Boden liegt. Doch jeder hat Stärken. Und er oft so einen Schalk in den Augen, den man als Ironie des Durchblickers deuten kann. Die Leute sehen ihn derzeit genug im Fernsehen. Stets korrekt und am Wochenende so ungestylt, als wäre er der nette Nachbar aus der Reihenhaussiedlung, der verhindert, dass vor der Tür Asylanten lagern. Wer genau hinhört, was er da sagt, der weiß, dass der Gefragte in seine Antworten fast immer ein paar Neben- und Hintertüren einbaut. So wird aus einem »Ja« schon Sekunden später ein »Vielleicht« mit Tendenz zum »Nein«.

Gerade noch hat Oppermann dem Whistleblower Edward Snowden »mutiges Handeln« attestiert, das »Respekt« verlange, er will sogar im Interesse des Amerikaners eine »humanitäre Lösung« finden - und ehe man sich verhörte, machte Oppermann klar, dass er Snowden auf keinen Fall nach Deutschland lassen will. Man müsse vor einer solchen Einladung sicher sein, dass Snowdens Sicherheit gewährleisten werden kann. Kaum war man bereit zu hoffen, dass der Mann, der dem Parlamentarischen Gremium zur Kontrolle der deutschen Geheimdienste vorsteht, dazu Mittel und Wege kennen, zumindest aber finden könne, schon gab Oppermann kund, er könne es sich nur schwer vorstellen, »dass wir Edward Snowden am Ende ausliefern«. Was meint: Jurist Oppermann kann sich es vorstellen. Denn, der Ex-NSA-Mann habe ja »ein Staatsgeheimnis verraten« und die USA wollen ihn »wegen Gesetzesbruch vor Gericht zur Verantwortung ziehen«. Einmal Sozi, immer Sozi ... Ist das so einfach?

Im Grunde ist das Parteibuch sekundär. Oppermann ist Politiker und er will noch etwas werden. Am besten Minister in der anstehenden großen Koalition. Er kann »den Friedrich« fachlich besser, zur Not auch das Justizressort übernehmen. Für beide Ressorts handelt der Mann vom konservativen Seeheimer Kreis der SPD derzeit das Regierungsprogramm mit aus. Jetzt oder nie! Im kommenden Jahr wird er 60. Noch ist er fähig zu allem.

Man kann Karrieren als zweidimensionale Kurve darstellen. Die von seinem Parteichef Sigmar Gabriel gleicht eher der hektischer Börsenwerte. Sucht man einen Vergleich für Oppermanns Lebenskurve, stellt man sich am besten das Profil eines Idiotenhügels vor, auf dem Skilaufanfänger sich vorantasten. In umgekehrter Richtung natürlich. Keine Dellen oder Aufschwünge?

Zeitskalenstrich 1954: Oppermann geboren, in Freckenhorst. Das liegt im Münsterland. War da mal was? Na ja, die Pest und ein Scharmützel im 30-Jährigen Krieg. Die Bahnstrecke Neubeckum-Enningerloh-Freckenhorst-Warendorf wurde 1901 abschnittweise freigegeben. Hand zum Mund, wenn man gähnt! Der Mangel ließ Thomas Oppermann, der als Sohn eines Molkereimeisters mit drei Geschwistern aufwuchs, in die Rubrik »Ortsberühmtheiten« rutschen.

Als einziges der Geschwister machte Thomas Abitur. Dann überfiel ihn jugendlicher Mut, er verweigerte den Wehrdienst. Es folgte ein Jurastudium in Göttingen. Die Uni dort galt mal als linke Hochburg. Daran ist Oppermann nicht schuld. Zwar saß er im Studentenparlament, doch er war beileibe kein K-Gruppen-Mensch wie dieser Trittin, den er da traf. Bei Oppermann war auch nichts mit Jusos und so. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles ist dagegen biografiemäßig geradezu eine Revoluzzerin. Erst mit 26 Jahren trat der Strebsame in die SPD ein. Angeblich wollte er Helmut Schmidt unterstützen. Der SPD-Kanzler war damals von der CSU-Kampfmaschine Strauß angemacht worden: »Freiheit oder Sozialismus« lautete die Unions-Denunzenparole. Oppermann entschied sich für »Freiheit und Sozialismus.« Es ist schon ein harter Fantasietest, sich vorzustellen, was sich der Richter an den Verwaltungsgerichten Hannover und Braunschweig unter Sozialismus vorstellte.

Oppermanns sanfter Politaufstieg führte über den SPD-Unterbezirk und von da zwangsläufig in den Landtag von Hannover. Dort kam er 1990 an. 1998 machte Kabinettschef Gerhard Schröder ihn zum Wissenschaftsminister samt Kulturnebenjob. Als Sigmar Gabriel Schröders Regentenerbschaft 2003 verspielt hatte, zog es auch den ehrgeizigen Oppermann nach Berlin. Er setzte 2009 auf Frank-Walter Steinmeier als neuen Kanzler, es kam bekanntermaßen anders. Oppermann, belohnt als Erster Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, hat sich nichts vorzuwerfen. Seit 2005 vertritt er den Wahlkreis Göttingen. 2009 holte er 36,82 Prozent der Stimmen, diesmal hatte er mit 40,4 Prozent die Nase direkt vorn.

Was er wirklich kann, ist seiner Partei den Rücken frei halten. Das hat er eindrucksvoll als SPD-Obmann im sogenannten BND-Untersuchungsausschuss bewiesen. Ermittelt werden sollte die illegale Zusammenarbeit deutscher und US-Geheimdienste nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Da regierte Rot-Grün. Hut ab! Vor allem in der sogenannten Kurnaz-Affäre hat Oppermann den ehemaligen und belasteten Kanzleramtschef Steinmeier rausgehauen.

Visionen sind nicht Oppermanns Ding. Hatte er je welche? Vermutlich. Zwischen 1976 bis 1978 als Freiwilliger bei der Aktion Sühnezeichen in den USA. Er engagierte sich für die Feld- und Wanderarbeitergewerkschaft, bereitete Streiks mit vor. Offensichtlich mochte er damals schon Joan Baez, die Ikone des Protestsongs. Ob ihm, falls er nach dem Ende seiner Jugend je wieder »We shall overcome« mitgesungen haben sollte, Tränen in die Augen gestiegen sind? Man weiß so vieles nicht von Thomas Oppermann.

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