- Politik
- Lexikon der UNO - Stärken und Schwächen der Vereinten Nationen
Zwei Kilo Weltpolitik
Um den Generalsekretär der Vereinten Nationen als Autor für ein Vorwort zu gewinnen, bedarf es schon eines gewichtigen Grundes. Dieser ist im doppelten Sinne gewichtig: ein zwei Kilo schweres Lexikon der Vereinten Nationen. Kofi Annan würdigt es als »eine willkommene Ergänzung der wissenschaftlichen Untersuchungen und politischen Analysen, die sich mit den Vereinten Nationen, ihren komplexen Zielsetzungen nach dem Kalten Krieg und ihrer immer umfassenderen Rolle im kommenden Jahrtausend beschäftigen«.
Dem Herausgeber Helmut Volger ist es gelungen, 85 Autoren, Wissenschaftler, Diplomaten, Journalisten und ehemalige UN-Mitarbeiter, um sich zu vereinigen, die in 168 kürzeren und längeren Beiträgen Aufbau und Tätigkeit der United Nations beschreiben. Benannt werden Stärken und Schwächen, Erfolge und Misserfolge, aufgezählt gewichtige Argumente für die Stärkung der Souveränität dieser Weltorganisation.
Herausgeber Volger schrieb selbst 16 Beiträge; der Umfassendste beschäftigt sich mit der Entstehungsgeschichte der UNO - von den ersten Umrissen für eine internationale Organisation, von der Atlantik-Charta vom August 1941, der Erklärung der Alliierten vom 1. Januar 1942 und der Moskauer Deklaration der Vier Mächte vom 30. Oktober 1945, über die Konferenz in Jalta bis hin zur Geburtsstunde der UN in San Francisco (24. Oktober 1945). Volger erinnert an die Rolle der UNO während diverser Konflikte der Nachkriegszeit. Untersucht wird von ihm z. B. die »Raketenkrise« in Kuba, die die »akute Gefahr eines nuklearen Krieges zwischen den USA und der UdSSR heraufbeschwor«. Zur Sprache kommt auch die Beitragsverweigerung der USA, die zu einer Existenzkrise der UN führte.
Bemerkenswert an diesem Lexikon ist, dass hier auch Autoren aus der ehemaligen DDR vertreten sind. Bernhard Neugebauer und Wolfgang Spröte haben jahrzehntelang für die UNO gearbeitet. Der ehemalige Stellvertreter des DDR-Außenministers, Neugebauer, verweist darauf, dass erst mit der Mitgliedschaft der DDR und der BRD in der UNO beide deutsche Staaten international gleichgestellt waren. Er schreibt. »Dem Wirken der DDR in der UNO lag das Interesse zugrunde, außenpolitische Möglichkeiten für die Gestaltung und Sicherung des Staates zu nutzen und auf die sich wandelnden internationalen Bedingungen entsprechend der eigenen Interessenlage einzuwirken.«
Das Pendant zu seinem Aufsatz lieferte Hans Arnold. Er bestätigt, dass es Ziel Bonner Politik war, »die Aufnahme der DDR in UN-Organisationen zu verhindern«. Der pensionierte BRD-Botschafter resümiert: »Insgesamt hatte der Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik deren Bewegungsspielraum innerhalb der UNO eingeschränkt.« Zum Kosovo-Krieg konstatiert der heute an der Hochschule für Politik in München Lehrende, dass dieser von NATO-Staaten »ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates« begonnen wurde: »Sie verletzen damit als UN-Mitglieder das mit der UN-Charta gesetzte Völkerrecht.«
Spröte, einst Vizepräsident der Liga der Vereinten Nationen der DDR, schreibt über die Bewegung der Blockfreien und ihr Verhältnis zur UNO sowie über den Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC). Die UNESCO stellt Klaus Hüfner, Professor an der FU Berlin und Präsident der Deutschen UNESCO-Kommission, vor.
Besondere Aufmerksamkeit widmen die Autoren der Problematik der Menschenrechte. Vorgestellt werden alle acht UN- Menschenrechtskonventionen. Neugebauer erwähnt in seinem Beitrag auch »Defizite in der Menschenrechtspraxis der DDR«, wobei er anmerkt, dass diese »aber nicht zu einer Verurteilung oder zur Einleitung irgendeines Untersuchungsverfahrens« seitens UN-Gremien führten.
Es kann hier nicht auf alle Beiträge eingegangen werden. Informiert wird u. a. auch darüber, dass 1975 eine Universität der UNO in Tokio ihre Arbeit aufgenommen hat. Man erfährt des Weiteren, dass es nicht am UN-Institut der für Abrüstungsfragen in Genf liegt, wenn noch keine befriedigenden Ergebnisse in der Rüstungsreduzierung vorzuweisen sind.
Kofi Annan würdigt das Lexikon zu Recht »als eine wertvolle Quelle, nicht zuletzt für die jungen Menschen«. Schon jetzt ist klar, dieser Band wird ein Standardwerk. Ihm ist eine weltweite Verbreitung, eine Übersetzung auch in andere Sprachen zu wünschen. Dafür sollten sich Sponsoren finden, es wäre eine lohnende Investition.
Helmut Volger (Hg.): Lexikon der Vereinten Nationen. Oldenbourg-Wissenschaftsverlag, München. 775 S., geb., 98 DM.
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