Zweite Runde im Schauprozess von Alexandria

Ankläger Moussaouis wollen Giftspritze für angeblichen Mitverschwörer des 11. September

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Terroristenprozess gegen Zacarias Moussaoui ist am Donnerstag in Alexandria im Bundesstaat Virginia in die zweite Phase eingetreten.
Nun sollen in dem Verfahren gegen den angeblichen Mitverschwörer bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001 Erklärungen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung. abgegeben werden. Darüber hinaus will die Anklage, die starken Druck ausübt, um die Hinrichtung Moussaouis zu erwirken, dass der New Yorker Ex-Bürgermeister Rudy Giuliani und zahlreiche Angehörige von Opfern der Terroranschläge angehört werden. Die vom Gericht bestellten Pflichtverteidiger versuchen, Moussaoui vor der Giftspritze zu bewahren und für ihn die Minimalstrafe, eine lebenslange Haft, zu erreichen. Dazu sollen Zeugen aussagen, dass der Franzose marokkanischer Abstammung unter Schizophrenie leidet und in Frankreich eine extrem schwere Kindheit hatte. Am Montag hatten die Geschworenen einstimmig beschlossen, dass gegen Moussaoui aus juristischer Sicht die Todesstrafe verhängt werden kann. Dass das Verfahren einem Schauprozess gleichkommt, in dem die Anklage mit Billigung der Richterin Leonie Brinkema ein Maximum an Öffentlichkeitswirksamkeit erzielen kann, unterstreicht eine Entscheidung vom Mittwoch. Die Richterin ließ die Tonbandaufnahmen der Cockpitgespräche des Flugzeugs zu, das am 11. September 2001 in Pennsylvania in ein Feld stürzte. Moussaoui befand sich bereits einen Monat vor den Anschlägen wegen eines Verstoßes gegen das Einwanderungsgesetz in Haft. Doch Einigkeit besteht bei Anklage und Verteidigung über seine Al-Qaida-Mitgliedschaft. Im April letzten Jahres hatte er bekannt, dass er Teil einer terroristischen Verschwörung war, in Afghanistan unter der Führung Osama bin Ladens für Anschläge ausgebildet wurde und in die USA kam, um Atterntate auszuführen - doch nicht das vom 11. September 2001. Vielmehr habe er den blinden Scheich Omar Abdul Rachman freipressen und im Falle einer ablehnenden Haltung der Regierung eine 747-Boeing in das Weiße Haus steuern wollen. Er sei also Teil einer anderen Verschwörung gewesen, so Moussaoui damals. Die Anklage will nachweisen, dass der heute 37-Jährige durch das Verschweigen seiner Mitwisserschaft vor den Anschlägen zum Massenmord beitrug. Dazu sollen unter anderem den Geschworenen die Namen und Bilder aller 2972 Opfer des 11. September gezeigt werden. Das Verfahren sticht nicht nur wegen der offensichtlichen Vorverurteilung hervor, die zur Hinrichtung Moussauois führen soll. Der Franzose zeigt darüber hinaus selbst kein Interesse, den Vorwurf des Schauprozesses zu entkräften, und gebärdet sich so, wie sich die Öffentlichkeit einen blutrünstigen islamischen Terroristen vorstellt. Das Verfahren wirft bei kritischen Beobachtern aber vor allem die Frage nach Veränderungen des amerikanischen Rechtssystems nach 11. September auf. Denn der Moussaoui-Prozess hat bereits zu für Regierung und Anklage peinlichen Enthüllungen geführt. Im vergangenen Monat wurden mehrere Zeugen der Anklage nicht zugelassen, nachdem bekannt geworden war, dass sie von einem Klageanwalt der Regierung rechtswidrig »präpariert« worden waren. Nur wenige Tage später sagte ein ehemaliger FBI-Beamter aus, er habe eine interne Warnung vor möglichen Flugzeugentführungen kurz vor dem 11. September nicht gelesen. Das Moussaoui-Verfahren könnte, so lautet die Kritik, sogar das letzte »Antiterror«-Verfahren sein, das nach herrschendem Recht und Gesetz stattfindet. Der Druck der Regierung, das Strafrecht und die Verfassung zu umgehen, um »Peinlichkeiten« auszuschließen, sei erheblich angewachsen. Aus der Sicht Washingtons seien Militärtribunale, CIA-Geheimflüge mit Tarnfirmen, die Inhaftierung von Verdächtigen mit dem Status »feindlicher Kämpfer« und Folter wirksamere Werkzeuge im »Antiterrorkrieg«.
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