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  • Politik
  • Zum Tode des Berliner Malers Manfred Böttcher

Seine Kunst wird bleiben

  • Peter Röske
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Nachricht ist unfassbar und kam dennoch nicht völlig unerwartet: Nach langer, schwerer Krankheit starb Manfred Böttcher am 2. Januar 2001 in Berlin.

Manfred Böttcher war ein bedeutender Maler und ein grandioser Zeichner. Er wurde am 28. Oktober 1933 in Oberdorla/ Thüringen geboren. Ab 1950 studierte er an der Hochschule für Bildende Künste Dresden, Studienfreunde waren u. a. Jür gen Böttcher, Dieter Goltzsche, Harald Metzkes und Werner Stötzer. Die Freundschaften, die in dieser Zeit geschlossen wurden, haben sich bis in die Gegenwart erhalten. Nachhaltigen Einfluss, weniger im Formalen als bei der Ausprägung einer künstlerischen Haltung, hatten auf den Studenten die Lehrer Wilhelm Lachnit in der Malerei und Hans Theo Richter in der Zeichenkunst.

Ab 1955 war Böttcher Meisterschüler an der Deutschen Akademie der Künste bei seinem verehrten Lehrer Heinrich Ehmsen. In dieser Zeit entstand - wie auch bei Harald Metzkes und Ernst Schroeder - eine Werkgruppe von streng gebauten »schwarzen Bildern«, die als Rebellion der jungen Maler gegen den akademischen, bonbonfarben verlogenen Optimismus, gegen eine verordnete Dok trin gesehen werden können. Wie es sich gehört, gab es Auseinandersetzungen und Krache um diese jungen Künstler, vorzeitig geschlossene Ausstellungen, Ablehnungen und harsche Kritik.

Eines der wichtigsten Bilder Böttchers aus dieser Zeit ist »Schutthalden (Trümmer der Reichskanzlei)« von 1958. Es mutet fast wie ein Treppenwitz der Kunstgeschichte an, dass ausgerechnet dieses herausragende Exponat einer heftig befehdeten Malerei in die bösartige Müllhaufeninszenierung »Aufstieg und Fall der Moderne« 1999 in Weimar einbezogen wurde. Der Protest des damals bereits lebensgefährlich erkrankten Malers ließ die Inszenierer ungerührt.

Ab 1961 war Böttcher freischaffend in Berlin, mehr als 40 Jahre hat er intensiv an seinem umfangreichen Werk gearbeitet. Bedingungsloses Aufgehen in seiner künstlerischen Arbeit kennzeichnete sein Leben, alles andere war ihm sekundär. Das Ritual, der Rummel um seine Person, waren ihm lästig, beim Arbeiten wollte er ungestört sein. Selbst die schwere Krank heit hinderte ihn nicht am Zeichnen, wenige Stunden vor seinem Tode beendete er sein letztes Blatt. Manfred Böttcher hat seinen künstlerischen Weg konsequent beschritten, in dieser Hinsicht kannte er keinen Kompromiss. Opportunismus war ihm fremd. Sein beinahe zwanghafter Drang zu höchster Genauigkeit konnte das gemeinsame Gestalten einer Ausstellung ausgesprochen langwierig werden lassen. Manfred Böttcher wurde zu den herausragenden Vertretern einer Gruppe von Ostberliner Künstlern gezählt, für die der Begriff »Berliner Schule« kreiert wurde. Obwohl diese Künstler ausgeprägte Eigenständigkeit entwickelten, waren ihre Anliegen verwandt, die individuelle künstlerische Sicht schloss sich gegenseitig nicht aus. Manfred Böttchers Stil änderte sich im Laufe der Jahre mehrere Male. In den 60er Jahren ist seine Malerei von einer, lockeren, atmosphärischen Sicht, von höchster Malkultur und Dichte. Er wird durch mehrere Personalausstellungen bekannt, namhafte Museen er werben wichtige Bilder. Beispielsweise verzeichnet der Bestandskatalog der Ostberliner Nationalgalerie aus dem Jahre 1986 Ankäufe von 7 Bildern des Malers, darunter das oft reproduzierte Berlin-Bild »Landschaft mit Lokomotive«. Auch Ehrungen bleiben nicht aus. 1978 wird er Goethe-Preisträger der Stadt Berlin, 1984 zeichnet ihn die Akademie der Künste der DDR mit dem angesehenen »Käthe-Kollwitz-Preis« aus. Im Jahre 1992 veranstalteten die damals noch bestehenden beiden Akademien der Künste eine Retrospektive im Berliner Marstall, die zu einem großen Erfolg wurde. Selbst die Macher der spektakulären, umstrittenen Ausstellung »Deutschlandbilder« (Berlin 1997/98), in der Kunst aus dem Osten Deutschlands nur marginal vertreten war, hatten die Bedeutung der Malerei Böttchers nicht übersehen. Allerdings war das ein Ausnahmefall. Bedingt durch die Teilung Deutschlands und schließlich auch noch befördert durch die Bescheidenheit des Künstlers, haben die Werke Böttchers im Westen Deutschlands noch lange nicht die Bekanntheit erreicht, die ihrem Rang angemessen wäre.

1995 hatte die renommierte Galerie Mitte in Berlin nachdrücklich und vorbildlich auf die Zeichenkunst Böttchers aufmerksam gemacht, die einen hohen Stellenwert im Schaffen des Malers besitzt. »Durch Zeichnen schärft man auch sein malerisches Empfinden. Zeichnen ist überhaupt zusammengefasste Malerei.

Man malt beim Zeichnen, wie man beim Malen zeichnet.« Diese fundamentale Er kenntnis, die Henri Matisse in einem Gespräch mit Gotthard Jedlicka äußerte, gilt auch für Böttchers Arbeitsweise.

Die Anlässe für den Künstler, zu den Zeichenutensilien zu greifen, waren außerordentlich vielfältig. Neben den traditionellen Themen Akt, Landschaft, Stillleben konnten auch Arbeiten von Meistern der Kunstgeschichte Anregungen zum Zeichnen geben, ohne dass dabei vorder gründige Adaptionen entstanden. Böttchers Vorstellung vom Bild, sein Streben, zu einer Bildhaftigkeit zu gelangen, führ ten oft weit weg vom Ausgangspunkt, das Abstrahieren wurde in letzter Zeit immer wichtiger. Mir war besonders sympathisch, dass er in den letzten Jahren auch Protest gegen Unrecht und Willkür formulierte, dass Verfolgung und Widerstand reflektiert wurden. So gab ein gewöhnliches Zeitungsfoto, das zwei Juden in einem nazistischen Ghetto zeigt, die Anregung für eine Reihe von meisterhaften Zeichnungen. Besonders beeindruckend sind an Böttchers Kunst die Kraft, die Sensibilität und Frische, das Unverbrauchte seiner Mittel, er bediente nie ein Markenzeichen. Seine Kunst wird bleiben. Er fehlt uns sehr.

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