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Iowa - wo Schweine nach Geld riechen
Mast und Mais prägen den Bundesstaat im Mittleren Westen der USA
Schweine gehören zu Iowa so selbstverständlich wie der Mais, der hier auf schwarzer Ackererde in den nächsten Monaten wieder heranwächst. Mit Schweinegülle als Naturdünger gedeiht er noch besser. Und der Mais der nächsten Ernte wandert in die Schweinebäuche - ein Kreislauf, der aber löchrig ist.
Güllelagunen auf Grundwasserspiegel
Jedes vierte Borstenvieh, das in den USA gemästet wird, stammt aus Iowa, dem Staat zwischen Missouri und Mississippi im Mittleren Westen. Auf ihrem Weg in den Golf von Mexiko tragen die beiden mächtigen Ströme vieles mit sich. In Iowa spülen sie auch die Gülle von Millionen Tieren weg. So gehören Iowas Flüsse laut einschlägigen Studien zu den am stärksten verschmutzten in den Vereinigten Staaten. Zusammen mit dem Nachbarstaat Illinois steuert Iowa rund ein Drittel des Stickstoffs bei, den der Mississippi aufnimmt.
Der auf den Feldern so nützliche Dünger, der den Mais sprießen lässt, kann gefährlich werden, wenn er im Trinkwasser zu Nitrat wird. Und in der Natur treiben zu viele Nährstoffe in den Flüssen das Algenwachstum voran - für andere Wasserbewohner bleibt dann weniger Sauerstoff zum Atmen.
Auf drei Millionen Einwohner kommen in Iowa pro Jahr mehr als 25 Millionen geschlachtete Schweine. Von denen steuert Dave Struthers knapp 10 000 bei. Dafür benötigt der 38-jährige Schweinefarmer mittlerweile neun Standorte. Weil er seine Mastanlagen gleichmäßig über seine gut 400 Hektar Land verteilt, fällt er nicht unter die staatlichen Umweltvorschriften zum Güllemanagement. Seine Freiluftställe sind mit Mais-stroh ausgelegt. Darüber wölben sich Plastikplanen, die auf Metallbögen gespannt sind. Lage auf Lage wird frisch aufgeschichtet, bis die Schweine reif für den Schlachter sind. Anders geht es in benachbarten Großbetrieben zu, die pro Woche nicht Hunderte, sondern Zehntausende Schweine in die Schlachthöfe Iowas karren.
Während in Europa Stahlbehälter für die Güllelagerung Stand der Technik sind, fließt die Gülle in Iowa meist in künstliche Teiche oder unterirdische Seen - so genannte Lagunen. An die Vorschriften aus Washington zum Güllemanagement brauchen sich diese Betriebe nicht zu halten, weil sie - jedenfalls nach eigenem Verständnis - in einem geschlossenen System arbeiten. Trotzdem müssen sie ihre Gülle natürlich loswerden.
Kevin Miskell von der Iowa Farmers Union, dem kleineren der zwei großen Bauernverbände in den USA, warnt, die unterirdischen Tanks reichten oft bis zum Grundwasserspiegel. Von dort könne die Gülle in Bäche und Flüsse wandern. Verschärft werde das Problem durch die Konzentration der Schweinemast in nur vier der 99 Bezirke Iowas. Damit einher gehe die Tendenz zu immer größeren Betrieben, die Millionen Schweine pro Jahr mästeten. »Dies ist kein billiges Produktionssystem, sondern eine Umverteilung von Reichtum«, sagt Miskell. Sei die Schweinemast früher für die Farmer zum Abbezahlen von Hypothekenzinsen gut gewesen, müssten sich die kleineren Farmer nun nach der Decke strecken. Mehr als 80 Prozent der Schweinemast liegen mittlerweile in den Händen von Großunternehmen, bei Hähnchen und Truthähnen seien es sogar 100 Prozent.
Jedenfalls sinkt die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Iowa rapide. Gab es vor zehn Jahren noch rund 100 000 Landwirte in dem Bundesstaat, der nicht ganz halb so groß ist wie Deutschland, waren es im vergangenen Jahr nur noch 89 000.
Mehr Aufmerksamkeit für die Landwirtschaft erwartet Miskell allenfalls nächstes Jahr, wenn die Kür der Kandidaten für die nächsten Präsidentenwahlen naht. Im Kalender der Vorwahlen steht Iowa im Januar 2008 wieder ganz oben, denn der Bundesstaat ist neben New Hampshire der zweite im Land, wo sich die Bewerber ganz früh dem Parteivolk stellen müssen. Und dazu gehören in Iowa immer noch sehr viele Farmer. Wer bei ihnen durchfällt, hat im Rennen um die Präsidentschaft kaum noch Chancen. Doch Miskell bleibt skeptisch. »Einer der größten Geldgeber der Republikaner ist die Schweine- und Geflügelindustrie«, weiß der Bauernaktivist, der sich im Rennen um einen Sitz im Parlament des Staates Iowa vor einigen Jahren knapp einem Widersacher von den Republikanern geschlagen geben musste.
Vom Samen bis zum Zellophan
Als so genannte Lohnmäster füttern die meisten Schweinefarmer in Iowa ihre Tiere mittlerweile nur noch im Auftrag von Großunternehmen - und die haben ihren Sitz in anderen Bundesstaaten. Damit wandert auch die Wertschöpfung jenseits von Missouri und Mississipppi. Kleinere Anbieter geraten mit der Dominanz von Megaproduzenten auf dem USA-Schweinemarkt zusehends in eine schwache Position. Auf dem freien Markt werden gerade noch zehn Prozent der Schweine angeboten. Den Rest haben die Konzerne von der Aufzucht bis zur Schlachtung unter ihrer Kontrolle.
Eine solche integrierte Produktion von der Zeugung bis zur Verpackung des Schnitzels umschreibt Schweinefarmer Struthers mit Augenzwinkern als den Weg »vom Samen zum Zellophan«. Struthers selbst hat sich zwar spezialisiert, kauft seit vier Jahren Sperma ein, statt seine Sauen von Ebern bespringen zu lassen. Die Ferkelaufzucht gibt er aber nicht aus den Händen. Im Alter von 15 Tagen werden die Ferkel von der Mutter abgesetzt, also mit Altersgenossen zusammengesperrt, um fit für die Mast gemacht zu werden. Pro Schwein hat Struthers Anfang April nur einen Gewinn von 6 bis 7 Dollar erzielt - doch mittlerweile haben die Preise angezogen. Genug, damit Struthers seine fünfköpfige Familie versorgen kann. Auch Struthers sieht seinen Bauernhof als »geschlossenes System«. Den Stallmist verteilt er auf seinen Maisfeldern, auch im Winter, wenn keine Pflanzen wachsen und der Boden gefroren ist. Dann ist aber auch die Gefahr am größten, dass der Naturdünger ungenutzt abläuft und direkt in den Wasserkreislauf gelangt.
Um Verständnis für die Landwirte in Iowa wirbt Frederick Kirschenmann vom Zentrum für nachhaltige Landwirtschaft an der Iowa State University im nahe gelegenen Ames. Dort forscht man nach Alternativen zur Massenproduktion. Angesichts wirtschaftlicher Zwänge und des großen Preisdrucks seien die Bauern gezwungen, alles zu tun, um sich über Wasser zu halten. In der Vergangenheit hätten vor allem Familienbetriebe aufgegeben, beschreibt Kirschenmann den Strukturwandel in der Landwirtschaft. Gerade diese würden aber gebraucht, wenn es darum gehe, künftig den Bedarf an hochwertigen Nischenprodukten zu decken. Eine Nische zu bedienen heiße dabei nicht unbedingt, nur einen kleinen Betrieb zu haben.
Um die Umweltbilanz der Landwirtschaft zu verbessern, wirbt Kirschenmann, der selbst einen Bauernhof besitzt, auch für strengere Gesetze. Verschärft werden müssten die Vorschriften für die »Güllelagunen«. Ein Problem sei auch die Drainage der Felder, die die Auswaschung der Nährstoffe in den Mississippi fördere, erklärt der Wissenschaftler. Zwar seien am Rand der Maisfelder in Iowa mittlerweile viele Grünstreifen angelegt worden. Die Pflanzen könnten die Nährstoffe aber nicht aufnehmen, wenn die Drainage sie direkt in die Bäche befördere.
Die Umweltgesetze werden in den USA freilich vor allem in den Bundesstaaten und weniger in Washington gemacht. Und da hat Iowa sich bisher nicht hervorgetan - sonst könnten nach den Gewinnen auch die Produktionsstätten in andere Bundesstaaten mit noch laxeren Vorschriften abwandern. Was Iowa bisher geblieben ist, ist der Geruch der Schweine - und die riechen nicht mehr für alle Bauern nach Geld.
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