Die neue Angst vor dem Internet

Umfragen belegen einen großen Einfluss der NSA-Affäre auf die populäre Meinung über Datennutzung

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 2 Min.
Die NSA lässt Ängste wachsen. Nun fordert Telekom-Chef Obermann ein »Schengen-Netz« ohne USA und Großbritannien. Experten kritisieren dies als PR.

Einige der Daten, die die Telekom in Bonn bei ihrem 2. Internet-Sicherheitsgipfel präsentierte, sind schon überholt. Im Juni hatte das Allensbach-Institut 1500 Bürger befragt. Dabei zeigten sich zwei Drittel besorgt über möglichen Internetdatenmissbrauch durch Unternehmen (65 Prozent) oder Betrüger (64 Prozent). Vor einer missbräuchlichen Nutzung von Daten aus sozialen Netzwerken fürchteten sich 55, vor Computerviren 54 Prozent, während nur 46 Prozent Angst vor Gewalt hatten - und im Juni war der Umfang des NSA-Skandals noch nicht bekannt.

Offenbar hat dieser aber die Meinung der Bürger zur Internetsicherheit verändert. Bei einer zweiten, im August vorgenommenen Befragung zeigten etwa nur noch 75 Prozent Verständnis dafür, dass der Staat Telefon- und Internetdaten auswerte, um Straftaten aufzuklären - im Juni waren es noch 78 Prozent. Ebenfalls deutlich tritt die Verschiebung bei der Frage zutage, ob der Staat »Big Data«-Informationen nutzen dürfe, um beispielsweise »den Bedarf an Kindergärten« besser zu planen: Im Juni bejahten das 74 Prozent, im August nur noch 64 Prozent. »Komplett« gedreht habe sich die Meinung bei der Frage, ob Unternehmen »Beiträge in Internetforen nutzen dürfen, um ihre eigenen Produkte zu verbessern«: Im Juni bejahte dies eine knappe Mehrheit, im August äußerten sich 57 Prozent negativ.

Man brauche »eine neue Kultur des Einverständnisses zwischen Unternehmen und Kunden«, folgerte Reinhard Clemens vom Telekomvorstand aus diesen Daten. Nur wenn es gelinge, »die Chancen der Technik in echten Nutzen für die Menschen umzuwandeln«, werde »Big Data« ein Erfolg. Für Mittelständler will die Telekom nun sichere Verbindungen anbieten.

Telekomchef René Obermann fordert derweil drastische Konsequenzen. Ein »Schengen-Routing« und eine »Schengen-Cloud« könnten nicht nur die NSA, sondern auch den britischen Spähdienst GCHQ aussperren: Daten würden dann den Schengen-Raum nicht mehr verlassen. Technisch möglich sei auch eine deutsche Lösung, bei der die Daten im Lande blieben. Dazu gebe es Gespräche, es fehle indes ein Rechtsrahmen. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat bereits ähnliche Ideen geäußert.

EU-Digitalkommissarin Neelie Kroes hält dagegen nichts von einer nationalen »Fragmentierung« des Netzes. Und auch unter Experten ist diese Agenda umstritten. Gegenüber »nd« sagt Markus Beckedahl von »netzpolitik.org«, gerade die Telekom könne einfacher zur Sicherheit beitragen: Führe doch deren Verweigerung des »Peering« - eines Datenaustausches mit anderen Anbietern - erst dazu, dass »unnötig große Datenmengen« über auswärtige Leitungen liefen. Ferner sei »nicht bekannt, ob und welche auch kontinentaleuropäischen Geheimdienste Internetdaten in großem Stil abschöpfen«. Die Telekom-Sicherheitsagenda sei insofern auch »stark von PR geprägt«.

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