Tour in den Frühling des Winters

16. Leserreisentreffen von »neues deutschland« fand diesmal in Wismar statt

  • Michael Müller
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Herbst trennt die Geister. Für manche ist er Inbegriff der Melancholie, für andere Frühling des Winters. Als probate Lebensregel für diese Zeit gilt, erstere abzuschütteln, um zweiten genießen zu können. Alle Jahre wieder versuchen das auch Leserinnen und Leser von »neues deutschland« beim nd-Leserreisentreffen. Diesmal hatten sie sich für ihren entsprechenden - wie man auf Neudeutsch sagen würde - Erlebnisworkshop die Ostseeküste mit der Stadt Wismar und deren Umgebung ausgesucht. Spätestens bei der Abreise am vergangenen Sonntag versicherten sich die rund 260 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach den vier vergnüglichen Tagen gegenseitig: Es war wieder ganz große Klasse! Bis zum Herbst 2014 also, dann in der Erzgebirgsgemeinde Altenberg-Schellerhau!

Was sind das für Leute, die zu diesem Treffen kommen, dessen diesjähriges bereits die 16. Auflage gewesen ist? Allgemein gesagt handelt es sich sozial und geografisch, demografisch und politisch so etwa um den Durchschnitt der Leserschaft. Und ganz konkret sind das die Aktivsten unter den Weltenbummlern, die alljährlich gemäß des nd-Mottos »Mit LINKS durch die Welt« touren. In diesem Jahr waren das über 1000. Egal, ob mal kurz übers Wochenende nach Weimar oder Wien oder auch mal länger in die Emirate oder nach Ex-Jugoslawien.

Rein rechnerisch etwa jeder Vierte davon war nun Anfang November auch noch ins Wismarer Wyndham-Garden-Hotel zu eben diesem nd-Treffen der unternehmungslustigen Leser gekommen. Es ist seit 1998 längst zu einer Institution von Zusammengehörigkeit und Freundschaft geworden, fand mal in West und Ost, mal in Nord und Süd statt. Exemplarisch für die Motivation, dabei zu sein, sagen die Ehepaare Behnke aus Berlin, Kauf aus Magdeburg, Pangert und Ziegler aus Rudolstadt: »Wir haben uns einst auf nd-Reisen kennengelernt, und wir halten diese Bekanntschaft alljährlich bei den nd-Reisetreffen frisch.«

Das dürfte ihnen auch diesmal in Wismar nicht schwergefallen sein. Nicht zuletzt wegen des passenden emotionalen wie intellektuellen Rahmens. Am Programmanfang standen der Schauspieler Peter Bause und der Berliner Ernst-Busch-Chor. Bause brillierte mit einer kabarettistisch-szenischen Lesung aus seinem Erinnerungsbuch »Man stirbt doch nicht im dritten Akt«. Er bewegte sich da mit Witz und Esprit ziemlich genau an den Lebenslinien seines Publikums entlang, für das die Jahre 1989/90 auch so etwas wie der dramatische dritte von fünf Lebensakten gewesen sein dürfte. Ähnliche Berührungspunkte im Saal fanden dann die Sängerseniorinnen und -senioren des ebenfalls stürmisch gefeierten Ernst-Busch-Chores. Dessen künstlerische Leitung hat übrigens kürzlich der erst 31-jährige Daniel Selke übernommen, Pianist und Absolvent der Leipziger Hochschule für Musik und Theater »Felix Mendelssohn Bartholdy«.

Vor vollen Räumen interessierter wie engagierter Zuhörerinnen und Zuhörer fanden die Lesungen und Talkrunden statt. Walter Kaufmann kam mit »Schade, dass du Jude bist«, seinem jüngsten Band autobiografischer Erzählungen. Landolf Scherzer präsentierte sein Chinabuch »Madame Zhou und der Fahrradfriseur«. Er las zudem aus einem noch unveröffentlichten Manuskript (»Das fällt mir nicht schwer, schließlich sind wir hier ja irgendwie ganz in Familie«) eines längeren ganz aktuellen Griechenlandtextes. Hans Grodotzki, quicklebendige und höchst unterhaltsame DDR-Laufsportlegende, zwei Mal Olympiasilber in Rom 1960, plauderte zum Entzücken des Publikums über manch Hintergründiges seiner Karriere und über das, was danach kam (»Minister Heinz Hoffmann wollte mir partout einen ›Wartburg‹ zukommen lassen, aber ich hatte doch gar keine Fahrerlaubnis«).

Olaf Koppe, nd-Geschäftsführer, konnte bei einem Forum zum einen ermunternde Hinweise der Leserschaft entgegennehmen, zum anderen hatte er auch manche kritische Frage zu beantworten. So gewappnet moderierte er später selbst die Talkrunde mit Heidrun Bluhm und Dietmar Bartsch, beide MdB, die eine LINKE-Landesvorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern, der andere Vize-Bundestagsfraktionschef. Das nebenberufliche Kaberettduo Fiete und Schiete (nd-Politkredakteur Fabian Lambeck und Computerexperte Jörg Krempin) widmete sich dem »Rätselhaften Mecklenburg«, die Lüneburger Symphoniker unter ihrem jungen Dirigenten Thomas Dorsch hatten in die Wismarer Kulturkirche St. Georgen zu einem Mozart-Konzertabend geladen. Und zu allem für die, die es noch wollten und zeitlich schafften, Stadtbummel in Wismar, Ausflüge nach Schwerin, Rostock und zur Insel Poel...

»Es war alles wieder sehr interessant, und es sind wieder bleibende Erinnerungen«, freute sich Ehepaar Sebrantke beim Abschlussabend. Bei dem gab es zwischen gutem Essen und Trinken, Musik und Tanz auch wieder viel Beifall für die Organisatoren: das nd-Leserreisenteam mit Irene Kohlmetz und Frank Diekert sowie GR-Reisen aus Neustrelitz, einem der Reisekooperationspartner von »neues deutschland«.

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