Kleine Runde, große Fragen

Die schwarz-roten Koalitionsverhandlungen gehen in die entscheidende Phase

Das Schwierigste zum Schluss: Seit Montag verhandeln die Spitzen von CDU, CSU und SPD über die in den bisherigen Koalitionsrunden ungeklärten Fragen.

Das letzte Wort in den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD haben 474 820 Personen. So viele Genossen können sich am SPD-Mitgliederentscheid beteiligen, von dessen Ausgang die Partei das Zustandekommen von Schwarz-Rot abhängig macht. Das sei die Mitgliederzahl zum Stichtag gewesen, erklärte die SPD am Montag. Offensichtlich stößt das Angebot, mitreden zu dürfen, auf großes Interesse, denn Ende Oktober lag die Mitgliederzahl noch bei 473 048.

Wesentlich übersichtlicher geht es hingegen in Berlin zu. Dort kamen am Montag zur kleinen Verhandlungsrunde die Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU), Sigmar Gabriel (SPD), die Generalsekretäre, Fraktionsvorsitzenden und weitere Spitzenpolitiker der Parteien zusammen. Auch Fachpolitiker aus den Verhandlungsgruppen sollten an den Gesprächen teilnehmen. Ihr gemeinsamer Auftrag: Bis Mittwoch soll eine Koalitionsvereinbarung stehen und die Ministerposten sollen verteilt sein.

»Ich hoffe, dass wir alle miteinander die nächsten Tage Vernunft walten lassen, dann wird's am Ende«, erklärte CSU-Chef Horst Seehofer. Denn selbst ob das Verhandlungsende tatsächlich am Mittwoch sein wird, ist umstritten. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt zumindest hält Verzögerungen für denkbar: »Vielleicht müssen wir sogar in die Verlängerung«, sagte er der »Bild«-Zeitung. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hingegen erklärte dem Sender N24, es werde »keine Verlängerung« geben, dafür sei »kein Spielraum«.

Diese Auseinandersetzung lässt sich unter Geplänkel am Rande verbuchen. Die tatsächlich harten Verhandlungsbrocken sind etwa die Ausgestaltung des Mindestlohns, die Finanzierung der Mütterrente, die Pkw-Maut und die doppelte Staatsbürgerschaft. Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, forderte in Berlin erneut die Einführung der Mehrstaatigkeit »ohne Wenn und Aber«. In Richtung Sozialdemokraten erklärte er, SPD-Chef Sigmar Gabriel habe beim Parteitag in Leipzig den Doppelpass als zwingende Bedingung für eine große Koalition genannt. »Und wir nehmen ihn beim Wort.«

Unterdessen ist der Bundestag von den Möchtegernkoalitionären noch immer weitgehend lahmgelegt. Um zumindest den Anschein der Arbeitsfähigkeit zu wahren, haben Union und SPD nun gemeinsam einen Hauptausschuss beantragt, über den am Donnerstag in einer Sondersitzung des Bundestages entschieden werden soll. Laut dpa schlagen die beiden großen Fraktionen vor, je 47 ordentliche und stellvertretende Mitglieder zu entsenden. Dem Ausschuss sollen 23 Abgeordnete der Unionsfraktion, 14 Mitglieder der SPD-Fraktion und jeweils fünf Parlamentarier von Linkspartei und Grünen angehören.

Der Vorsitzende des bisher einmaligen Ausschusses soll demnach von der Union, sein Stellvertreter von der SPD gestellt werden. Das Gremium soll sich unter anderem mit Haushaltsfragen und Europa-Angelegenheiten beschäftigen und so lange funktionieren, bis reguläre Ausschüsse eingerichtet sind.

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