Schwarz-rotes Durchwurschteln
Lena Tietgen zur Bildungspolitik der Großen Koalition
Entgegen allen Beteuerungen im Wahlkampf hat die SPD bei den Koalitionsverhandlungen in puncto Bildung Verschlechterungen in Kauf genommen. Erwartungsgemäß konzentriert sich der Vertrag auf die Hochschulpolitik, verspricht sogar, wenn auch indirekt, die Lockerung des Kooperationsverbots. Hie und da erwähnte man den Ausbau der Ganztagsschulen. Kein Wort zu den Kosten der Inklusion, der Schulstrukturreform, der Lehrerfortbildung. Lediglich sechs Milliarden Euro stehen den Ländern für Bildung zur Verfügung. Geld, das sich sowohl auf die Stärkung der Hochschulen samt Exzellenzinitiative, der Aus- und Weiterbildung, der Schulbildung und frühkindliche Bildung erstreckt. Dem Konkurrenzkampf sind damit Türen und Toren geöffnet.
Vielerorts wird der Koalition schon jetzt Stillstand vorausgesagt. Dies gilt auch für die Bildungspolitik. Statt ein inklusives Schulsystem systematisch aufzubauen, ein Ganztagsschulprogramm zu entwickeln, die Lehrerbildung zu reformieren und der Qualität frühkindlicher Bildung den Vorrang zu geben, wird weiter auf ein Durchwurschteln gesetzt.
Stillstand gibt es im Leben aber nicht, schon gar nicht innerhalb eines so dynamischen Wirtschaftssystems wie des kapitalistischen. Wenn nicht flächendeckend die Bildung ausreichend finanziert wird, kommt es zu Verwerfungen innerhalb der Bundesländer und der Kommunen. Dort, wo entsprechender privater Wohlstand herrscht, werden zunehmend private Subventionen für eine gute Bildung sorgen. Zu befürchten ist, dass in jenen Regionen und Milieus, in denen dem privaten Engagement mangels finanzieller Masse Grenzen gesetzt sind, Verwahrlosung um sich greifen wird.
Bildung ist das Scharnier der Gesellschaft, über das sozialer Aufstieg möglich ist. Die Sozialdemokratie müsste das eigentlich wissen. Deren Funktionäre aber leben offensichtlich in ihrer eigenen, geschichtsvergessenen Welt.
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