Große Koalition kauft Landesfürsten ein

Merkel zieht Spendierhosen an, um sich SPD-Länder gewogen zu machen. Doch diese wollen nicht viel

  • Marian Krüger
  • Lesedauer: 3 Min.
Große gesellschaftliche Aufgaben könne nur eine Große Koalition lösen, heißt es. Eine brachliegende Baustelle sind die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern. Doch Lösungen sind nicht in Sicht.

Geht es nach der schwarz-roten Koalitionsvereinbarung, dürfen Länder und Kommunen auf zusätzliche Milliarden aus dem Bundeshaushalt hoffen. Allein um fünf Milliarden Euro will der Bund die klammen Kommunen bei den Ausgaben für die Eingliederung von Behinderten entlasten. Für Investitionen in die öffentliche Verkehrsinfrastruktur soll es ebenfalls fünf Milliarden Euro zusätzlich geben. Die Städtebauförderung soll um 600 Millionen erhöht werden. Außerdem verpflichtet sich die Koalition, etwaige Mehrbedarfe beim bundesweiten Kita-Ausbau und bei der Forschungsförderung alleine zu finanzieren.

Doch damit nicht genug. Die Koalition will zusätzliche »finanzielle Spielräume des Bundes« mit den Ländern teilen. Ein Drittel davon soll »zur Entlastung der Länderhaushalte eingesetzt werden«. Auch ein weiter gehendes finanzielles Engagement des Bundes im Bildungsbereich wäre mit der Aufhebung des sogenannten Kooperationsverbotes im Grundgesetz möglich gewesen. Aber hier haben sich die NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (beide SPD) quergestellt.

Auf den ersten Blick sieht alles so aus, also ob Merkel und ihre Union die Spendierhosen angezogen haben, um die SPD-Landesfürsten, die den Bundesrat beherrschen, für das ungeliebte Bündnis mit der Union einzukaufen. Doch genauer nachgeschaut fällt das Fazit sehr ernüchternd aus. Die SPD-Länder wollten immer die komplette Übernahme der Kosten der Eingliederungshilfe, da die Integration Behinderter eine bundespolitische Verantwortung sei. Bekommen haben sie ein Drittel. Die SPD wollte einen Investitions- und Entschuldungspakt für die Kommunen. Hier hat sie wenig bis gar nichts erreicht. In ihrem Wahlprogramm wollte sie den »Irrweg« des Kooperationsverbotes beenden und eine Grundgesetzänderung, um »dauerhafte Finanzhilfen des Bundes für Bildung und Wissenschaft« zu ermöglichen. Dank ausgerechnet der Genossen Kraft und Scholz geht die deutsche Bildungskleinstaaterei nun weiter. Im Wahlkampf hatte die SPD noch die »Rücknahme der schwarz-gelben Klientelgesetze« und ein »gerechteres Steuersystem« in Aussicht gestellt - Fehlanzeige. Und was den Städtebau betrifft: Angesichts eines Bedarfes von 150 000 neuen Sozialwohnungen pro Jahr bietet die Koalition hier nicht mehr als den Tropfen auf den heißen Stein.

Mit den Zugeständnissen an die Länder kauft sich die Koalition vor allem eines - Zeit für schwierige Verhandlungen um die »Big Points« der Bund-Länder-Finanzbeziehungen vom Länderfinanzausgleich bis zum ebenfalls 2019 auslaufenden Solidarpakt II. SPD-Landespolitiker hatten sich im Bundestagswahlkampf noch vehement für eine Anschlussregelung für den Solidarpakt stark gemacht. In die Vereinbarung hat es diese für die finanzschwachen Länder in Ost und West wichtige Forderung nicht geschafft.

Die Union hatte die Einrichtung einer »dritten Föderalismuskommission« in Aussicht gestellt. In der Vereinbarung kommt dieser Begriff überhaupt nicht mehr vor. Stattdessen ist nun von Gesprächen zwischen Bund und Ländern die Rede, zu denen die Koalition »parallel« eine Kommission einrichten will. Die Föderalismuskommission II war gleichberechtigt von Bundestag und Ländern gebildet worden, in ihr war auch die Opposition vertreten. Und so werden hinter gefälligen Formulierungen gewichtige Interessenkonflikte verborgen.

Nicht zuletzt der Unionsparteien selbst. Denn die CSU gibt in föderalismuspolitischer Hinsicht die Tea Party. Nicht nur, weil sie den Finanzausgleich und damit eine der haushaltspolitischen Garantien des Sozialstaats generell verkleinern will. Sondern auch, weil sie in ihrem separaten Regierungsprogramm, dem »Bayernplan«, eine »Steuerbremse« als neues Element in den föderalen Finanzbeziehungen verankert sehen möchte. Wie die Koalition angesichts dieser disparaten Positionen überhaupt eine neue Föderalismusreform hinbekommen will, bleibt unklar.

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