Kooperativ und komplex

Beste Brett- und Kartenspiele des Jahres 2013

  • Udo Bartsch
  • Lesedauer: 5 Min.

Es ist wie beim Wein, wie bei Büchern, Musik oder Kinofilmen: Spiele unterteilen sich in Jahrgänge, und von diesen gibt es schwächere, stärkere und ganz selten auch mal legendäre. Selten besticht ein Jahrgang in voller Breite. In einem Jahr glänzen die Partyspiele, im nächsten tun sich Würfelspiele hervor. Im Jahr 2013 sind das zweifellos stärkste Segment die hoch anspruchsvollen Spiele für Fans, die sich auch von zwei bis drei Stunden Spieldauer und langen Regeln nicht abschrecken lassen.

Dass eine derart spezielle Sparte boomt, kommt nicht von ungefähr: Das Brettspiel befindet sich auf einem internationalen Siegeszug und verbreitet sich selbst in Ländern, die man mit heimeligen Spieleabenden kaum in Verbindung bringt, etwa Japan und Südkorea oder auch Italien, Spanien und Portugal. Anders als in Deutschland ist das Brettspiel dort aber noch kein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Spieleenthusiasten sind es, die die Bewegung tragen - also Experten, die jährlich 20, 50 oder gar 100 neue Spiele kaufen und ständig nach hochkomplexem Nachschub gieren. Die Autoren und Verlage liefern, der Markt für Freakspiele wächst.

Den Internationalisierungsprozess unterstreicht auch »Tzolk’in«, das in diesem Jahrgang wohl beste abendfüllende Strategiespiel: erfunden von zwei Italienern, veröffentlicht von einem Kleinverlag in Tschechien. Das Setting ist gar nicht mal so originell, denn auch in »Tzolk’in« geht es mal wieder darum, Rohstoffe zu sammeln, um damit etwas zu bauen. In diesem Fall Monumente. Aber nicht das Thema ist hier das Entscheidende, sondern dessen Umsetzung. Der Spielmechanismus von »Tzolk’in« beruht tatsächlich auf einer Mechanik. Sechs miteinander verbundene Zahnräder sind auf dem Spielbrett der große Hingucker. Die Räder drehen sich Runde für Runde weiter, die darauf platzierten Figuren fahren mit und gelangen so an Orte, die mit zunehmender Entfernung stärkere Aktionen erlauben. Lange Reisen bedeuten allerdings, dass die ausgesandte Figur viele Runden nicht zur Verfügung steht. Auf diesem Interessenkonflikt beruht der besondere Spielreiz.

Ein starker Trend des Jahres 2013 sind kooperative Spiele für Erwachsene. Auch »Die Legenden von Andor« schickt Helden in den Kampf gegen das Böse. Zu einem herausragenden Erlebnis wird das Spiel durch die Art und Weise, wie es seine Geschichte erzählt. Die Spielerlenkung ähnelt einem Computerspiel; mit lediglich rudimentären Regelkenntnissen geht es sofort los. Die Helden erleben eine Reise ins Unbekannte; selbst ihren genauen Auftrag erfahren sie manchmal erst während der Partie. Eine Zeitleiste löst Ereignisse und Begegnungen aus. Sollten dazu neue Regeln erforderlich sein, führt das Spiel sie in genau diesem Moment ein. Die Brettspiel-untypische geringe Vorinformation gibt den Helden wesentlich mehr als üblich das Gefühl, Teil eines Abenteuers zu sein.

Die originellste Spielidee seit langer Zeit steckt im ebenfalls kooperativen »Hanabi«. Gemeinschaftlich legen die Spieler eine Art Patience und müssen die Karten in der richtigen Farbe und Reihenfolge zücken. Das Problem dabei: Alle halten ihre Karten verkehrt herum und sehen nicht ihr eigenes Blatt - dafür aber das der Mitspieler. Nach bestimmten Regeln dürfen sich die Spieler Hinweise auf ihre Farben und Werte geben und tasten sich so Schritt für Schritt voran. Mit gerade mal 50 Karten kreiert »Hanabi« das ganz neue Spielgefühl, einander vertrauen zu müssen. Denn gibt ein Mitspieler mir eine Information, hat er sich doch gewiss etwas dabei gedacht. Bloß was? Eine Mischung aus Logik, Einfühlungsvermögen und Gedächtnisleistung führt auf die Fährte. Weil niemand Komplettinformationen besitzt, bildet sich kein Anführer heraus, der den anderen diktiert, was sie zu tun haben.

Das beste Spiel im Hosentaschenformat für unterwegs und zwischendurch heißt »Qwixx«. Würfelpaare ergeben Zahlen von zwei bis zwölf, von denen die Spieler möglichst viele auf ihren Blöcken abkreuzen wollen. Weil nur von links nach rechts gekreuzt werden darf, nicht aber querbeet, steckt hinter jeder Entscheidung eine kleine Zockerei: Soll ich die Fünf nehmen oder hoffe ich später noch auf eine Vier? Der Clou ist die Idee, dass auch die Augenzahlen anderer Spieler verwendet werden dürfen. Einfachheit und Pfiff treffen in »Qwixx« genau den Nerv. Binnen eines Jahres steuert das ursprünglich als Geheimtipp gehandelte Spiel schon auf eine Auflage von 200 000 verkauften Exemplaren zu. »Qwixx« könnte auf dem Weg zum modernen Klassiker sein.

Lange nichts Bemerkenswertes gab es im Bereich Quiz - ein Missstand, den nun »Finger weg« beseitigt. Indem die Spieler auf 287 Themenkarten unter acht Aussagen nach und nach die sieben falschen ausschließen, grenzen sie die Lösung immer enger ein. Angesichts der oft schwierigen Fragen empfiehlt es sich, rechtzeitig aus der Runde auszusteigen, bevor jemand versehentlich die richtige Antwort eliminiert. Wer dann noch mitpokert, bleibt nämlich punktlos. »Finger weg« bereichert das oft so akademische Genre mit Zockerei und Nervenkitzel. Neben Wissensabfrage stehen Emotionen und Kommunikation im Vordergrund. Sehr lobenswert ist auch das 48-seitige Booklet mit zusätzlichem Hintergrundwissen.

»Kakerlakak« versammelt Jung und Alt, und es überzeugt als bestes Actionspiel 2013. Eine batteriebetriebene Kakerlake treibt auf dem labyrinthartigen Spielfeld ihr Unwesen und soll durch geschicktes Verdrehen der Wände in die Falle laufen. Wer das Tier fünf Mal fängt, gewinnt. Entscheidender als der persönliche Erfolg ist jedoch der Spaßfaktor für alle. Der scheinbare Widerspruch, einen Miniroboter als chaotisches und unberechenbares Spielzeug in ein Brettspiel mit festen Regeln zu integrieren, vereint Unernsthaftigkeit mit Wettkampf und Taktik. Der Aufforderungscharakter ist so hoch, dass man schon Erwachsene hat heimlich weiterspielen sehen, als die Kinder im Bett waren.

»Tzolk’in« von Daniele Tascini und Simone Luciani, Czech Games Edition / Heidelberger Spieleverlag, für zwei bis vier Spieler ab 13 Jahren, ca. 40 Euro.

»Die Legenden von Andor« von Michael Menzel, Kosmos, für zwei bis vier Spieler ab zehn Jahren, ca. 40 Euro.

»Hanabi« von Antoine Bauza, Abacusspiele, für zwei bis fünf Spieler ab acht Jahren, ca. 8 Euro.

»Qwixx« von Steffen Benndorf, Nürnberger Spielkarten Verlag, für zwei bis vier Spieler ab acht Jahren, ca. 8 Euro.

»Finger weg« von Peter Wichmann, Zoch, für drei bis acht Spieler ab 12 Jahren, ca. 40 Euro.

»Kakerlakak« von Peter-Paul Joopen, Ravensburger, für zwei bis vier Spieler ab 5 Jahren, ca. 35 Euro.

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