Das Jahr der Reichen

Die Börsen erwachten 2013 noch nicht aus ihrem Rausch

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Trotz mäßiger Wirtschaftsdaten findet die Börsen-Rallye noch immer kein Ende. Schuld ist die Zentralbanken-Politik des billigen Geldes.

So reich waren die Deutschen noch nie: Trotz oder wegen der Krise in der Eurozone haben die Bundesbürger ihr Geld auch im zurückliegenden Jahr wieder deutlich vermehrt. Allerdings sind bei Weitem nicht alle wohlhabender geworden. Die untere Bevölkerungshälfte besitzt weiterhin lediglich ein Prozent - den Reichen gehören dagegen über 50 Prozent des gesamten Besitzes. So profitiert auch lediglich das obere Zehntel der Bevölkerung vom wachsenden Geldvermögen: Mehr als fünf Billionen Euro liegen auf der hohen Kante, in Form von Bargeld, Bankeinlagen und von Wertpapieren wie Aktien. Und die Börsen-Rallye will scheinbar kein Ende nehmen: In der Schlusswoche des Jahres hat der DAX wieder auf Rekordniveau geschlossen.

Anfang 2013 schien die Weltwirtschaft noch trüben Zeiten entgegen zu gehen. Seither hat sich das Bild aufgehellt. Unterstützt von der exportgetriebenen Sonderentwicklung in Deutschland konnte die Eurozone im Sommer die Rezession endlich hinter sich lassen. Mit Irland verließ das erste Krisenland den Eurorettungsschirm und selbst im leidgeprüften Süden mehren sich Zeichen einer wirtschaftlichen Erholung. Hinzu kommt, dass Chinas Entwicklung stabiler verlief als befürchtet und sich in den USA Wachstum und Beschäftigung belebt haben. Doch waren es nicht die überwiegend positiven, aber insgesamt schwächlichen Nachrichten aus der Realwirtschaft, welche die Finanzmärkte 2013 in einen neuen Höhenrausch trieben.

So konnten sich die Aktionäre der 30 größten deutschen Aktiengesellschaften über üppige Kursgewinne freuen. Der DAX legte 2013 um rund ein Viertel zu. Doch Prozentangaben unterstreichen angesichts des erreichten superhohen Niveaus noch den Aufwärtstrend: »Der deutsche Blue-Chip-Index DAX erklomm einen historischen Höchststand nach dem nächsten«, beobachtete Analyst Jens Kramer von der Norddeutschen Landesbank in Hannover. Dabei schien jahrelang ein erneutes Erklimmen der alten Rekordmarke von rund 8000 Punkten in weiter Ferne. Aber 2013 stieg der DAX bis auf sagenhafte 9552 Punkte. Anleger, die gezielt auf die exportorientierte deutsche Industrie gesetzt hatten, konnten sich über noch stärkere Kursgewinne freuen. Auch in den Vereinigten Staaten wird ein üppiges Aktienplus von um die 25 Prozent notiert. Überreich beschert wurden Aktionäre in Japan: Der Nikkei-Index legte um unfassbare 57 Prozent zu und erreichte den höchsten Stand seit über 40 Jahren. Sparbuchbesitzer schneiden da bekanntlich deutlich schlechter ab.

Wie konnte es angesichts eher mäßiger Wirtschaftszahlen so weit kommen? »Nach Ansicht der meisten Börsenbeobachter war diese Hausse bislang vor allem liquiditätsgetrieben«, fasst Daniel Bauer, Vorstand der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger in München, die auch unter Ökonomen weit verbreitete Einschätzung zusammen. Verantwortlich dafür sind die Zentralbanken. Allen voran die US-amerikanische Federal Reserve (Fed): Sie beließ es angesichts ausbleibender Inflation bei einem Leitzins von 0,0 bis 0,25 Prozent, und zur Unterstützung von Banken sowie Konjunktur kaufte sie Monat für Monat Wertpapiere für 85 Milliarden Dollar auf. Die Europäische Zentralbank (EZB) überraschte die Akteure im November mit einer abermaligen Leitzinssenkung. Und in Japan - angetrieben von der neuen Rechtsregierung von Shinzo Abe - löste die Notenbank einen monetären Tsunami aus. Was den besonders lauten Börsenjubel in Tokio erklärt. Aktienanalysten sprechen denn auch angesichts der Flut an billigem Geld von einem »Füllhorn«, von einer »Liquiditätsdroge« oder von »Trunkenheit der Märkte«.

Statt in Kredite für Unternehmen, wie EZB-Präsident Mario Draghi angeblich gehofft hatte, fließen Billionen Euro, Dollar und Yen in neue Spekulationsblasen. Die bilden sich nicht allein in der Londoner City oder an der Wall Street, sondern auch auf Immobilienmärkten. Die Zeche hierfür zahlen kleine Firmen und Mieter, welche sich die steigenden Preise für Wohn- und Geschäftsräume in vielen Ballungszentren immer weniger leisten können.

Seine Anfälligkeit bewies der neue Boom schon im Mai, als die Fed das Eindämmen der Geldflut in Aussicht stellte. Prompt kam es zu Turbulenzen auf den Finanzmärkten, bis hin zur herdenartigen Kapitalflucht aus Schwellenländern wie Brasilien oder Thailand. Deren Volkswirtschaften leiden seither unter Kapitalmangel. Beruhigung trat erst ein, als der Ende Januar 2014 aus dem Amt scheidende Fed-Präsident Ben Bernanke glaubhaft versicherte, dass die Fed noch lange die Welt mit frischem Geld zum Nulltarif fluten will.

Für das neue Jahr erwarten die meisten Analysten daher weiter steigende Kurse an Börsen und Immobilienmärkten. Bis auch diese Blase platzt.

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