Protestiert doch bitte woanders!

In Sotschi darf doch demonstriert werden - aber nur weit abseits des olympischen Geschehens

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Russlands Präsident Wladimir Putin nimmt seinen Kritikern weiter den Wind aus den Segeln. In Sotschi darf nun doch protestiert werden. Demonstranten werden aber wohl ins Grüne »abgeschoben«.

Die gute Nachricht für alle jene die gegen die Regierung und für Rechte von Minderheiten in Russland protestieren wollen: Sowohl bei den Olympischen Winterspielen, die im Februar im russischen Schwarzmeerkurort Sotschi stattfinden, als auch bei den Paralympics im März darf nun doch demonstriert werden. Präsident Wladimir Putin hob am Wochenende einschlägige Beschränkungen auf, die er selbst am 19. August des vergangenen Jahres verfügt hatte.

Diese hatten vorgesehen, dass zwischen dem 7. Januar und dem 21. März in Sotschi nur Versammlungen und Demos stattfinden dürften, die einen direkten Bezug zu den Spielen haben. Politik und Menschenrechte fielen aus Sicht des Kremls nicht darunter. Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach, begrüßte die Lockerung. Sie entsprächen den »Zusicherungen, die uns Präsident Putin im vergangenen Jahr gegeben hat«, zitierte ihn die Nachrichtenagentur RIA nowosti.

Die schlechte Nachricht: Mit Aufmärschen im Zentrum oder gar in direkter Nähe zu den Wettkampfstätten wird es dennoch nichts. Wie Putins Sprecher sagte, hat der Kremlchef die Organisatoren der Olympischen Spiele und die regionalen Behörden beauftragt, »einen Ort in Sotschi auszusuchen, an dem eine freie Durchführung von Demos und Protesten, erlaubt sein wird.

Vorbild sind die so genannten russischen Hyde Parks, von denen es seit Mitte 2013 auch in Moskau zwei gibt. Die Idee dazu entstand während der Massenproteste gegen die umstrittenen Parlamentswahlen Ende 2011. Durch die zeitweilig sehr hohen Teilnehmerzahlen massiv unter Druck geraten, musste die Stadtregierung Aufmärsche von Regierungsgegnern in der Innenstadt genehmigen. Dann kam Oberbürgermeister Sergei Sobjanin ein Gedanke: Statt im Zentrum sollte die außerparlamentarische Opposition ihren Frust doch bitte in abgelegenen Winkeln von Parks ablassen, wo «normale Bürger sich nicht belästigt fühlen».

Die Führer der Protestbewegung waren empört. Man werde sich nicht «in Streichelzoos und Reservate» treiben lassen, giftete damals der Liberale Boris Nemzow. Er war Anfang der 90er Jahre Bürgermeister der Olympiastadt Sotschi. Dort, glaubt er, verfolge Putin nun die gleiche Strategie. Der Westen dürfe sich jedoch nicht Sand in die Augen streuen lassen. Zumal die angeblichen Lockerungen den Namen eigentlich nicht verdienen würden. In der Tat müssen Protestler auch für Aktionen im Hyde Park, der sich in Sotschi Speakers Corner nennen soll, bei der Stadtverwaltung, dem Innenministerium und dem Inlandsgeheimdienst FSB zuvor Genehmigungen einholen. Bei Zuwiderhandlungen drohen Geldbußen und Haftstrafen.

Schwulenverbände wollen nach Worten einer Moskauer Aktivistin dennoch nicht auf die geplante Parade parallel zur offiziellen Eröffnungsfeier verzichten. Die Frage danach stelle sich erst gar nicht, sagte sie. Zu Details wollte sie sich «aus operativ-taktischen Gründen» aber nicht äußern. Nur so viel: Man hoffe auf tatkräftige personelle Unterstützung durch die globale Community, vor allem aus den USA und Westeuropa.

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