Der Bodensee hat Kreislaufprobleme

Die milden Temperaturen der vergangenen Wochen haben Auswirkungen auf die Wasserzirkulation

  • Lesedauer: 3 Min.
Die Vögel freuen sich, die Fische bekommen nur wenig davon mit, den Bodensee selbst behindert es: das vergleichsweise warme Wetter in diesem Winter.

Langenargen. Die milden Temperaturen der vergangenen Wochen haben Auswirkungen auf die Wasserzirkulation im Bodensee. »Man kann vermuten, dass es in diesem Jahr nicht zu einer Vollzirkulation kommen wird«, sagt der stellvertretende Leiter des Instituts für Seenforschung in Langenargen (ISF), Herbert Löffler. Normalerweise mischten sich die verschiedenen Wasserschichten des insgesamt rund 536 Quadratkilometer großen Sees im Spätwinter, so dass Sauerstoff von der Oberfläche in die Tiefe des Sees gelangt.

Der Hintergrund der Zirkulation: Das kalte und schwere Tiefenwasser liegt am Grund des Sees, die darüber liegenden Schichten sind im Sommer wärmer und leichter. Bis zum Spätwinter kühlt sich das Wasser an der Oberfläche des Bodensees gewöhnlich jedoch soweit ab, dass sich die Temperaturschichtung auflöst und die Wasserschichten sich durchmischen. Das Wasser an der Oberfläche habe derzeit jedoch noch etwa sieben Grad Celsius, sagte Löffler, das reiche noch nicht für eine Vollzirkulation. Es sei unwahrscheinlich, dass sich das Wasser noch genügend abkühle. Ein einmaliges Ausbleiben der Durchmischung habe aber keine akuten Folgen, sagt Löffler. »Der See kann einige Jahre ohne Vollzirkulation überstehen.« Schwierig werde es erst auf Dauer: Wenn die Vollzirkulation - zum Beispiel bedingt durch den Klimawandel - mehrere Jahre nacheinander ausbleibe.

Die Fische im Bodensee bekommen von den milden Temperaturen dagegen nicht viel mit. Ihr Stoffwechsel sei im Winter nicht so aktiv, daher bräuchten sie weniger Nahrung, sagt Norbert Knöpfler vom Württembergischen Fischereiverein. »Sie verharren einfach in der Tiefe - auf Sparflamme.«

Der Bodenseeraum ist aus Sicht von Experten in mehrfacher Hinsicht vom Klimawandel betroffen. So gebe es beispielsweise Auswirkungen auf die Land- und Forstwirtschaft, die Wasserwirtschaft, den Tourismus und die Infrastruktur, heißt es bei der Internationalen Bodenseekonferenz (IBK). Die 1972 gegründete Organisation ist ein Zusammenschluss der an den See angrenzenden und mit ihm verbundenen Länder und Kantone.

Aus Sicht der IBK werden geeignete Maßnahmen - beispielsweise die Verminderung von Emissionen oder Strategien zur Anpassung an den Klimawandel - zunehmend wichtiger. Dabei stoppe der Klimawandel nicht an den Grenzen. »Gerade in der agrarisch geprägten Bodenseeregion machen der grenzüberschreitende Austausch über Anpassungsstrategien und die Erarbeitung konkreter Anpassungen für hiesige Agrarbetriebe Sinn«, sagte Joachim Schütter vom bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz kürzlich bei einem Symposium zu dem Thema in Lindau. »Und sie sind wichtig, um sowohl die Schäden durch den Klimawandel als auch die Beiträge der Landwirtschaft zum Klimawandel zu verringern.«

Erwartet werden für die Region weniger Frost und mehr Hitze, ein niedrigerer Seespiegel im Sommer, mehr Niederschläge im Winter und öfter Extremwetterereignisse wie Starkregen, Gewitter, Hagel, Trockenheit und Dürreperioden, sagt Pierluigi Calanca von Agroscope, einer Forschungsanstalt des Schweizer Bundesamtes für Landwirtschaft in Zürich.

Das Institut für Seenforschung in Langenargen untersucht bis Ende 2014 in einem europäischen Forschungsprojekt unter anderem, welche Folgen eine Erwärmung des Wassers im Bodensee haben könnte. Seit den 1960er Jahren ist die Wassertemperatur laut Institut in einem halben Meter Tiefe um 0,03 Grad pro Jahr gestiegen. dpa/nd

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