Doppelte Blockade im Gleisbett

Naziaufmarsch in Magdeburg behindert, aber nicht gestoppt

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 4 Min.
Tausende Gegendemonstranten haben in Magdeburg einen Aufmarsch von Neonazis behindert. Die Polizei sorgte dafür, dass Blockadeversuche nur zeitweise erfolgreich waren.

Es ist eine Taktik, wie sie Partisanen lehren: Um einen Gegner auszuschalten, müssen neuralgische Punkte besetzt werden. Am Samstag in Magdeburg waren das Bahngleise, die über die Elbe hinweg zwischen den Bahnhöfen Neustadt und Herrenkrug verlaufen. Rund 70 linke Demonstranten hatten sie am Mittag blockiert - mit der Folge, dass Züge mit Hunderten Nazis nicht in den Magdeburger Osten fahren konnten. Knapp Hundert Kameraden warteten dort deshalb vergeblich auf den Beginn eines braunen Aufzugs. Eine Zeit lang sah es damit fast so aus, als wären die Pläne des Bündnisses »BlockMD« aufgegangen: erstmals erfolgreich einen Naziaufzug in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt zu blockieren.

Schon seit Ende der 1990er Jahre bläst die rechtsextreme Szene alljährlich im Januar zu einem Aufmarsch. Anlass ist der Jahrestag der Zerstörung Magdeburgs am 16. Januar 1945, den die Braunen für ihre Geschichtsverdrehung vereinnahmen und als Teil eines »Bombenholocaust« darzustellen versuchen. Zu den Aufzügen, die eine »Initiative gegen das Vergessen« anmeldet und die lange als Generalprobe für Demonstrationen in Dresden vier Wochen später galten, kamen teils weit über Tausend Nazis; vergangenes Jahr waren es 900. Nachdem in Städten wie Dresden und Erfurt die Szene mit Blockaden erfolgreich vergrämt wurde, ist Magdeburg nahezu als der letzte Aufmarschort dieses Kalibers verblieben.

Polizei ermittelt wegen Sabotage
Magdeburg. Besonders die zeitweilige Lahmlegung des Bahnverkehrs durch Antifaschisten ist der Polizei ein Dorn im Auge. »Wir gehen davon aus, dass mehrere Beschädigungen an Gleisanlagen unter anderem in Magdeburg-Südost auf Sabotage in Zusammenhang mit dem Neonaziaufmarsch zurückzuführen sind«, sagte eine Sprecherin am Sonntag. Zudem seien bei den Protesten vereinzelt Flaschen und Steine auf Polizisten geworfen worden, hieß es. 12 Beamte sollen verletzt worden sein. 16 Menschen wurden festgenommen, jedoch noch am Samstag wieder auf freien Fuß gesetzt, wie die Polizei mitteilte. dpa/nd

 

Das neu gegründete Bündnis BlockMD, das Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Initiativen tragen, hatte für Samstag auch in Magdeburg zu friedlichen Blockaden aufgerufen. Ausgehen sollten diese von »Meilensteinen der Demokratie«, die überall in der Stadt angemeldet wurden. Der Name bezieht sich auf die »Meile der Demokratie«, bei der Tausende Magdeburger schon zum sechsten Mal gegen den braunen Aufzug protestierten. Die Bürger hätten »die Nase gestrichen voll von diesem menschenverachtenden Ungeist«, sagte SPD-Oberbürgermeister Lutz Trümper zur Eröffnung. Allerdings beschränkt sich die Meile auf einige Straßenzüge in der Innenstadt; die Demo der Nazis wirklich zu unterbinden, ist nicht ihr Anspruch. Diesen hatten dagegen Tausende Menschen aus Magdeburg und anderen Städten, die sich seit dem Morgen überall in der Stadt verteilt hatten.

Unterlaufen wurde ihr Ansinnen freilich von der Polizei, die mit 3300 Beamten samt Pferden und Wasserwerfern in der Stadt omnipräsent war, Informationen über die geplante Route der Nazis verweigerte und statt dessen zu einer Art Katz-und Maus-Spiel animierte. Zunächst zog sie Kräfte im Süden der Stadt zusammen, wo schon vor einem Jahr der Aufzug der Nazis hatte stattfinden können. Nachdem viele Gegendemonstranten den etliche Kilometer langen Weg zurückgelegt hatten, kam der Herrenkrug im Nordosten ins Spiel. Protestierern wurde indes der Weg dorthin abgeschnitten, indem alle Elbbrücken abgeriegelt wurden - und zwar auch für Abgeordnete, Journalisten und Anwohner, die vom Wochenendeinkauf zurückkehrten und höchst erbost reagierten. Ein Polizeisprecher machte später Kommunikationsprobleme mit »Fremdkräften« aus anderen Bundesländern verantwortlich. Eigentlich hätten Anwohner die Sperren nach einer »Selektion« passieren sollen.

Immerhin scheiterte an der Blockade auf den Bahngleisen auch der Versuch, die Nazis durch den Park am Herrenkrug laufen zu lassen. Deren Züge, die am Bahnhof Neustadt von Linken mit Steinen beworfen worden waren, wurden statt dessen nun tatsächlich in den Süden zum Haltepunkt SKET gelenkt, wo den rund 750 Nazis eine verkürzte Demonstration gestattet wurde. Diese Entscheidung rief geharnischten Protest hervor. »BlockMD« kritisierte die »Strategie der Desinformation« der Polizei; LINKE-Landeschefin Birke Bull fragte, warum man den Nazis »nach erfolgreicher friedlicher Gleisblockade einen neuen öffentlichen Raum zur Verfügung stellen« müsse.

Hunderte Antifaschisten, die an die Route zu gelangen suchten, setzte die Polizei im Zentrum fest - ausgerechnet im Gleisbett der Straßenbahn, wo Steinewerfer viel Munition gefunden und der Polizei womöglich Anlass zu massivem Eingreifen geboten hätten. Sebastian Striegel von den Grünen sprach von einer »Eskalationstaktik«. Immerhin: Die Lage blieb so friedlich, dass sogar ein »Vogue«-Model in gepflegtem Anzug hinter der Polizeikette für Fotos posieren konnte. Für 2015 hofft man bei »BlockMD« allerdings nicht auf Schauläufer im feinen Zwirn, sondern auf »deutlich mehr Menschen, die entschlossen an und auf der Route demonstrieren« - damit die Nazis vielleicht auch in Magdeburg endlich einmal komplett blockiert werden.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal