Rausschmeißer aus »freundlichen« Verträgen

Banken und Versicherungen

  • Lesedauer: 4 Min.
Egal, ob Banken, Sparkassen oder Lebensversicherungen - fast alle Finanzdienstleister haben in ihren Beständen alte Verträge, die aus heutiger Sicht mit hohen jährlichen Zinsen ausgestattet sind. Traumhafte Konditionen, weil mittlerweile die Zinssätze für ähnliche Sparanlagen in den Keller gerutscht sind. Das sind tolle Bedingungen für Verbraucher also, aber teure für die Bank. Viele Institute versuchen nun, ihre Kunden aus diesen Altverträgen herauszudrängen.

As Rausschmeißer versucht sich beispielsweise eine Sparkasse in Ulm und um Ulm herum. Dort tobt seit Monaten ein erbitterter Streit zwischen Kleinanlegern und der örtlichen Sparkasse: Die Parteien zanken sich um Bonuszinsen bei »Scala-Verträgen«. Das sind langfristige Verträge mit anfänglich niedriger Grundverzinsung und hohem Zinsbonus im Laufe der Zeit.

Die umstrittenen Verträge wurden zwar schon zwischen 1995 und 2005 abgeschlossen, aber ihre Laufzeit reicht noch weit in die Zukunft, teilweise bis 2030. Für Sparer ein Segen. Doch die Sparkasse hat sich verzockt: Die hohen Boni der Altverträge versalzen der Sparkasse dermaßen die Suppe, sprich das Betriebsergebnis, dass das Unternehmen die Verträge mit allen Mitteln loswerden will, notfalls per Kündigung, wie die »Südwestpresse« vor Ort berichtet.

Der Sparkassenvorstand rechtfertigt sich mit dem Hinweis, er müsse abwägen zwischen dem Kundeninteresse und den öffentlich-rechtlichen Aufgaben des Instituts. Es geht um 20 000 Altverträge. Die Kunden sollen in ein »Treueangebot« wechseln. Das nützt vor allem der Sparkasse: In einem Fall, den die ARD recherchiert hat, würde eine Familie auf rund 1500 Euro Zinsen verzichten.

Bausparkassen wie LBS oder Wüstenrot sollen vermeintliche Regelverstöße der Verbraucher zu ihrer Rechtfertigung anführen: So seien Bausparverträge für die Baufinanzierung von Häuslebauern gedacht, nicht aber, um Guthabenzinsen anzuhäufen. Bei Abschluss der Verträge, als die Zinsen allgemein noch sehr hoch lagen, waren allerdings die Sparer gern gesehene Kunden, weil ihre Zinssätze noch unter dem üblichen Marktzins lagen.

»Keine Einzelfälle«, meinen Marktbeobachter: Flächendeckend machen Finanzdienstleister Druck. Der Grund: Die Zinsen sind historisch niedrig. Für sichere Geldanlagen wie Tagesgelder, Festgelder und Sparbriefe erhalten Sparer kaum noch zwei Prozent an Zinsen. Viele Bausparverträge und Banksparpläne, aber auch Kapitalversicherungen, die vor vielen Jahren abgeschlossen wurden, bieten dem Anleger zum Teil noch Zinssätze von vier bis fünf Prozent.

»Zunehmend berichten uns Verbraucher, dass Finanzinstitute sie aus diesen Verträgen rausdrängen wollen«, sagt Niklaas Haskamp von der Verbraucherzentrale in Stuttgart. »Das geschieht zum Teil mit dreisten Methoden und oft ohne Rechtsgrundlage.«

Mehrere Maschen der Anbieter stellen wir in Zusammenarbeit mit der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg nachfolgend vor:

1. Sparkasse behauptet ein Kündigungsrecht bei einem Banksparplan

Banksparpläne wurden oft mit einer variablen Grundverzinsung und einem festen Bonuszins ausgestattet, der mit der Vertragslaufzeit stetig ansteigt. Der feste Bonus ist angesichts von Vertragslaufzeiten von oft 25 Jahren aktuell sehr attraktiv. Die Sparkasse behauptet nun, dass sich ein Kündigungsrecht aus dem Allgemeinen Darlehensrecht des BGB ergebe.

Niels Nauhauser, Finanzdienstleistungsexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg: »Wir raten Verbrauchern sich zu wehren.« Vor Ablauf der fest vereinbarten Vertragslaufzeit kann die Sparkasse grundsätzlich nicht kündigen.

2. Bausparkasse kündigt »übersparten« Bausparvertrag

Bausparkassen kündigen oft Bausparverträge, deren Guthaben die Bausparsumme erreicht hat. Nauhauser warnt Verbraucher: »Es gibt keine ewig bindenden Verträge.« Grundsätzlich könne sich daher aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ein Kündigungsrecht für die Bausparkasse ergeben.

3. Bausparkasse verweigert die Annahme weiterer Sparleistungen

Bausparkassen behaupten, dass nach Erreichen des vertraglich vereinbarten Mindestsparguthabens jede weitere Sparleistung eine »Sonderzahlung« sei. Diese bedarf einer extra Zustimmung durch die Bausparkasse.

Dazu Niels Nauhauser: »Verbraucher sollten sich wehren.« Die Erfolgsaussichten seien gut, insbesondere wenn es sich um Verträge handelt, die auch mit dem Argument einer attraktiven Bonusverzinsung als Geldanlage verkauft wurden. Eine entsprechende Rechtsprechung gibt es hierzu allerdings bislang nicht.

4. Bausparkasse addiert Bonus zum Guthaben - um früher kündigen zu können

Die Bausparkasse leitet ihr Kündigungsrecht aus dem Darlehensrecht des BGB ab. Allerdings addiert sie zum Guthaben den Bonus. Dadurch ist der Bausparvertrag früher »überspart« und die Bausparkasse kann den Vertrag früher kündigen.

Der Finanzexperte Nauhauser: »Verbraucher sollten sich wehren.« Allerdings hängen in solchen Fällen die Erfolgsaussichten vom genauen Wortlaut im einzelnen Vertrag ab.

Ärger kann es auch bei einem Riester-Vertrag geben. In einem Fall lehnte ein Lebensversicherer die Annahme weiterer Sparbeiträge ab. Die Firma begründet dies mit seinen Versicherungsbedingungen. Es ging um einen sogenannten Ehegattenvertrag ohne eigenen Beitrag. Versprochen war ein Garantiezins von 3,25 Prozent. Der Verbraucher wollte 60 Euro Sockelbeitrag zuzahlen, um nach der Gesetzesnovelle in 2012 weiterhin die vollen staatlichen Zulagen zu kassieren. Er wurde vom Versicherer an einen Finanzberater für einen Neuabschluss verwiesen (Garantiezins nur noch 1,75 Prozent). In solchen Fällen ist Nauhauser jedoch pessimistisch: »Die Erfolgsaussichten sind ungewiss, es mangelt an einschlägiger Rechtsprechung.« Hermannus Pfeiffer

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal