Die Macht des Einkaufszettels
Arbeitskleidung, Pflastersteine, Möbel - immer mehr Kommunen ordern ökologisch und fair hergestellte Produkte
Mehr als 200 deutsche Kommunen nennen sich Fairtrade-Towns und verändern dafür ihr Einkaufsverhalten: Arbeitskleidung, die zu gerechten Löhnen genäht wurde, Kaffee aus fairem Handel, öffentliche Plätze aus Naturstein, der ohne Kinderarbeit gewonnen wurde: Die Kommunen haben eine große Marktmacht - und beginnen gerade erst, diese Macht zu nutzen.
Arbeitskleidung, Pflastersteine, Möbel - es gibt nur wenige Waren, die eine Stadtverwaltung nicht einkaufen muss. Etwa 360 Milliarden Euro gibt die öffentliche Hand jährlich für Waren und Dienstleistungen aus. Etwa die Hälfte davon entfällt auf die 11 000 deutschen Kommunen. »Je mehr Käufer ökologisch und fair hergestellte Produkte verlangen, desto schneller reagiert der Markt mit Angeboten«, sagt Bremens Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne). Die Hansestadt sucht seit 2009 gezielt nach solchen Angeboten: Möglichst alle von der Verwaltung eingekauften Produkte sollen nachprüfbar unter sozial- und umweltverträglichen Bedingungen hergestellt sein.
Dafür wurde ein zentrales Einkaufsmanagement eingerichtet, das alle Aufträge nach und nach umstellt - pro Jahr werden hier Waren im Wert von rund zehn Millionen Euro geordert. Zudem bezieht die gesamte Verwaltung Ökostrom. »Alle neuen Aufträge aus Bremen verlangen faire und ökologische Produkte«, sagt Thorsten Schmidt von der Bremer Finanzverwaltung. Über 3000 Waren erfasst der elektronische Einkaufskatalog inzwischen - vom Reinigungsmittel bis zum Heizöl.
»Ein großer Teil ist jetzt öko-fair«, sagt Schmidt. »Fair ist dabei das schwieriger umzusetzende Kriterium«, gibt er zu bedenken. Fair heißt hier: Die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) werden eingehalten. Bei der Produktion nach diesen Normen darf es keine ausbeuterische Kinderarbeit und keine Zwangsarbeit geben. Arbeitnehmer dürfen sich in Organisationen, etwa Gewerkschaften, zusammenschließen, Diskriminierung ist verboten. »Für Produkte mit einer Lieferkette quer über den Globus ist das schwer nachprüfbar, wenn es keine Siegel gibt«, sagt Schmidt. »Für Berufskleidung haben wir gute Anbieter gefunden. Der IT-Bereich ist aber sehr undurchsichtig.« - Dennoch: Immer mehr Stadtverwaltungen interessieren sich fürs faire Einkaufen, beobachtet Michael Marwede von der »Servicestelle Kommunen in der Einen Welt«, die im Auftrag des Entwicklungsministeriums Kommunen berät. »Bewusstes Einkaufen kommt jetzt auch in den Verwaltungen an«, sagt Marwede. »Und die haben mit ihrem Einkaufsvolumen eine gewaltige Marktmacht.« Noch liege der faire Anteil der öffentlichen Ausgaben im Promillebereich.
Weil die Europäische Union aber Sozialstandards in die Richtlinien für öffentliche Auftragsvergabe aufnehmen will, erwartet Marwede für die Zukunft einen deutlichen Anstieg: »Dann wird es für Kommunen rechtlich einfacher, Aufträge auch nach sozialen und ökologischen Kriterien zu vergeben.«
218 deutsche Kommunen hat die Organisation Transfair bereits mit dem Titel »Fairtrade Town« ausgezeichnet, zuletzt 2013 mit der »fairen Metropole Ruhr« eine ganze Region. Für den Titel muss es neben fairer Gastronomie, Geschäften und Öffentlichkeitsarbeit auch einen Ratsbeschluss geben, während der Sitzungen mindestens zwei faire Lebensmittel anzubieten.
»Viele Kommunen gehen aber weiter«, sagt Lisa Hermann von Transfair. Im Kreis Rhein-Neuss gibt es zum Beispiel auch in den Kreiskrankenhäusern nur fair gehandelten Kaffee. Einkaufsvolumen: rund 80 000 Euro. Und die Stadt Hannover will Fußbälle, Pflastersteine oder Spielwaren, die häufig von Kindern hergestellt werden, künftig nur noch fair bestellen.
Kommunalberater Marwede hält fairen Einkauf durch die Kommunen nicht für grundsätzlich teurer: »Es muss umgedacht werden und beispielsweise bei einem Fahrzeugkauf neben den Anschaffungskosten die Haltbarkeit einkalkuliert werden.« Auch eine Zentralisierung des Einkaufs spare Kosten, weil dann größere Bestellmengen möglich seien, sagt Marwede. epd/nd
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