Vage Vorschläge vor dem Wahlvolk

Über US-Präsident Obama schwebt bereits der Schatten der »lahmen Ente«

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: 3 Min.
In seiner Ansprache zur Lage der Nation konzentrierte sich USA-Präsident Barack Obama auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik. Den Kongress forderte er dabei zu einem »Jahr der Taten« auf.

Die Regierungserklärung, die Obama am Dienstagabend (Ortszeit) vor Senatoren und Kongressabgeordneten abgab, dauerte über eine Stunde. Etwa 50 Millionen US-Amerikaner verfolgten sie live im Fernsehen mit. Er sei stark daran interessiert, mit den beiden Kammern des Parlaments zusammenzuarbeiten. Falls diese Kooperation nicht in Gang komme, werde er seine Vorstellungen wo immer möglich im Alleingang mit Präsidialverordnungen durchdrücken, kündigte Obama an. Es gehe ihm um das Wachstum von Wirtschaft und der Mittelschicht sowie neue Aufstiegsmöglichkeiten. »Einige Vorschläge erfordern parlamentarisches Handeln«, sagte Obama, »aber Amerika steht nicht still und ich auch nicht.« Er werde nötigenfalls »Schritte ohne Gesetzgebung unternehmen«.

Obama leitet sein sechstes Amtsjahr ein und hat die Lähmung von gesetzgeberischen Initiativen zu befürchten. Bevor er sich zur »lame duck« (lahme Ente) wandelt, die die Regierungsgeschäfte nur noch aussitzt, will Obama also doch noch aktiv werden. Dabei präsentierte der USA-Präsident allerdings wenig Innovatives. Er sprach von der Schaffung neuer Arbeitsplätze, der ökologischen Umwandlung der Wirtschaft, einer Einwanderungsreform und einer Neuordnung des Steuerwesens.

Der Staatschef streifte sein Vorhaben, die Verfügbarkeit von Waffen einzuschränken und das Gefangenenlager Guantanamo zu schließen. Reformvorschläge in diesen Bereichen machen seit Obamas Amtsantritt die Runde - umgesetzt worden ist davon bisher keines.

Einen Teil seiner Rede nutzte der Präsident, um auf die wachsende soziale Ungleichheit hinzuweisen. Dabei bemühte er das von der »Occupy Wall Street«-Bewegung erfundene Bild vom immer reicher werdenden »1 Prozent«. Doch seine Reformvorstellungen zur »Stärkung der Mittelschicht und der arbeitenden Familien« blieben vage. Den Kongress forderte er auf, die nur für ein halbes Jahr geltende Arbeitslosenhilfe zu verlängern. Zwar erhöht Obama per Rechtsverordnung den Mindestlohn für Mitarbeiter des Bundes auf 10,10 Dollar pro Stunde. Doch die Steigerung begünstigt nur einen kleinen Teil dieser mehrheitlich weitaus besser bezahlten Auftragnehmer. Ansonsten blieb es bei der bloßen Aufforderung an den Kongress, den bundesweit geltenden Mindestlohn von 7,25 Dollar generell zu erhöhen.

Außenpolitisch beließ es Obama bei groben Federstrichen. Den NSA-Skandal streifte er nur in innenpolitischer Hinsicht. Vom Imageverlust der USA im Ausland schwieg er. Wichtig aus europäischer Sicht war allerdings Obamas klare Aussage, er werde etwaigen, vom Kongress vorgeschlagenen Sanktionsverschärfungen gegen Iran einen Riegel vorschieben, um die Verhandlungen mit Teheran nicht zu behindern.

Ausdrücklich bekannte sich der USA-Präsident außerdem zum Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union. Diese »Trade Promotion Authority«, der zufolge der Kongress Handelsverträge entweder nur abnicken oder ablehnen kann, wird Obama allerdings gegen einen Teil seiner eigenen Parteimitglieder, der Demokraten, im Kongress durchdrücken müssen.

Trotz statistisch positiver Zahlen, die eine wachsende Wirtschaft, langsam sinkende Arbeitslosigkeit und die Reduzierung des Defizits im Staatshaushalt untermalen, liegt Obama Umfragen zufolge in der Gunst der US-Amerikaner ziemlich weit unten. Seit über einem halben Jahr stimmen weniger als die Hälfte der vom »Wall Street Journal« Befragten seiner Amtsführung zu. Dasselbe galt für George W. Bush in dessen zweiter Amtszeit.

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